Aufgeregte Kinderstimmen hallen frühmorgens durch die Gassen der Churer Altstadt. Die Luft ist kühl, und die ersten Sonnenstrahlen finden zaghaft ihren Weg hinter den hohen Bergen hervor. Spannung liegt über der Hauptstadt des Kantons Graubünden. Die alljährliche Churer Maiensässfahrt findet statt. Seit bald 170 Jahren steigt im Frühling der Puls der Stadtbevölkerung in froher Erwartung auf den schönsten Schultag im Jahr.
1854 gab es die erste Maiensässfahrt. Seit damals wandern die Churer Schüler jedes Jahr im Frühsommer auf die umliegenden Maiensässe. Auf den von Wald umgebenen Bergweiden mit Hütten, die in vergangenen Zeiten vorübergehend im Frühjahr bewirtschaftet wurden, bevor es auf die höheren Almen ging, genießen die Kinder und Jugendlichen die frische Bergluft. Nie fällt das frühe Aufstehen leichter als an diesem besonderen Tag. Nach dem Frühstück werden die Bergschuhe geschnürt und wird der Rucksack geschultert. Ungeduldig drängen sich die Schüler klassenweise auf den Kornplatz zur Besammlung. „In der Stadt ist eine spürbare positive Hektik wahrnehmbar. Dies durch die Vorfreude der Schüler aufs Bevorstehende, den Mehrverkehr durch das Bringen der Kinder und natürlich auch durch das viel größere Aufkommen von Personen in der Innenstadt, die den Auszug mitverfolgen wollen“, schildert der Stadtpolizist Tobias Reinhard.
Eigenartige Ruhe in der Stadt
Um 6.58 Uhr begleitet die Jugendmusik die Schülerschar durch das Obertor hinaus. „Früher hat die Jugendmusik immer beim Glockenschlag um Punkt sieben Uhr angefangen zu spielen. Das hat zu Schwierigkeiten geführt, weil so der Auszug der Schüler die Durchfahrt der Arosabahn behindert hat. Die Koordination mit dem Fahrplan muss mit der Stadtpolizei und der Rhätischen Bahn abgesprochen werden, damit das gut aneinander vorbeigeht“, erklärt der Schulleiter, Primarlehrer und Dirigent der Musikgesellschaft Union, Jürg Gysin. Am Straßenrand winken Eltern, Großeltern und andere Churer zum Abschied. „Nach dem Auszug der Schüler kehrt in der Stadt eine eigenartige Ruhe ein“, sagt Reinhard. Schon kurz nach dem Stadttor beginnt die Steigung. Zu Beginn noch zügig und voller Tatendrang, später etwas langsamer, überwinden die Kinder die Höhenmeter. Die Erst- und Zweitklässler wandern auf den Mittenberg, die anderen Jahrgänge verteilen sich auf die Maiensässe Nadig, Weisshütte und Fülian am Pizokel. Die Oberstufenschüler begeben sich nach Juchs. Die Plätze werden innerhalb von zwei bis drei Stunden erreicht. „Wir haben Schüler, die am liebsten hochrennen würden. Es gibt aber auch andere, die schon kurz außerhalb der Stadt finden, dass sie ihr Tagesziel erreicht hätten und am liebsten hierbleiben würden“, sagt Jürg Gysin.
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