„Mir müsse de Supp drohn!“ Diesen Spruch wird Monika Schmutzler nie vergessen. „Wir müssen die Suppe tragen.“ Sie als Jugendliche sowie viele Mütter und Frauen sorgten in den 1970er Jahren für die Versorgung der Arbeiter an der Moselschiefergrube in Hausen, einem Ortsteil Mayens in der östlichen Vulkaneifel, die zur damaligen Zeit als tiefste und größte Schiefergrube Deutschlands galt. Diese Zeit prägte die Kindheit und Jugend Monika Schmutzlers, da sie aufgrund der Arbeit ihres Vaters im Verwaltungshaus unmittelbar neben dem Arbeitsgelände des Mosellaschachts wohnte. Noch heute liest sie gerne das von ihrem verstorbenen Vater Franz Weschbach verfasste Buch „Moselschiefergrube Mosellaschacht“, das den Aufstieg und Niedergang der Grube nachzeichnet. Beginnend in den 1860er Jahren, reichte der Schieferabbau an den Hängen des Flüsschens Nette im rheinischen Schiefergebirge bis ins Jahr 1975, in dem der letzte Steinwagen die Grube verließ. Zum Abbau des Schiefers wurde das „Abteufen“ angewandt. Das heißt, dass ein senkrechter Hohlraum geschaffen wurde, um den Schiefer abzubauen und mit einem Förderkorb aus der Grube zu transportieren. Dass der Mosellaschacht Teil des Lebens von Monika Schmutzler war, beweisen zahlreiche Zeichnungen im Flur ihres Wohnhauses, die das Arbeitsgelände zeigen, sowie ihre Schiefersammlung, die sie auf einem Tisch, der einst im Verwaltungshaus stand, ausgelegt hat. „Um halb acht kamen Arbeiter aus der Eifel und dem Maifeldraum über die Zugverbindung des heutigen Maifeld-Radwanderwegs nach Hausen. Die Einwohner des Hausener Nachbarorts Trimbs fuhren mit dem Fahrrad oder gingen zu Fuß. Bei Wind und Wetter.“
Mittags kamen die Frauen mit den Henkelmännern
„Sie arbeiteten in der Schlosserei, im Spalthaus, dem Steinsägebetrieb oder direkt an der Grube als Bergarbeiter“, erläutert die Zeitzeugin. Im Steinsägebetrieb wurden die abgebauten Schieferblöcke aus den Stollen zunächst grob zurechtgeschnitten, damit sie im Spalthaus von Hand mit einem Spalteisen erneut aufgespalten, mit einem anderen Steinmesser abgerundet und anschließend als Dachplatte oder anderes verwendet werden konnten. Mittags begaben sich die Arbeiter in den großen Speisesaal, um dort das selbst gemachte Essen ihrer Frauen, das sie im Henkelmann transportierten, zu verspeisen. „Ich weiß noch, oftmals trugen Frauen mehrere Henkelmänner auf einmal zur Grube, um sich untereinander abzuwechseln. Einige gingen von Masburg aus dem Landkreis Cochem-Zell aus zu Fuß, das war eine Stunde Fußweg. Dazu noch neun Kinder und die Landwirtschaft. Das waren schon ärmliche Zustände.“ Arbeitsende war um 17 Uhr, der Schiefer wurde von Dachdeckerfirmen abgeholt oder über eine Kleinbahn zu einem Güterwaggon transportiert. So gelangte er unter anderem nach Klotten an der Mosel, daher kommt der Qualitätsbegriff „Moselschiefer“. Von dort aus wurde das beliebte Gestein in verschiedene Städte, etwa nach Trier, verschifft.
Nur versteckte Stolleneingänge erinnern an den Abbau
Ein gutes Betriebsklima kam zum einen durch die Bergmannskapelle zur Geltung, aber auch durch den Zusammenhalt der Familien. „Vom sozialen Gedanken her war das zur damaligen Zeit eine enorme Sache.“ Dennoch berichtet Monika Schmutzler nicht nur von schönen Erinnerungen. Trotz Sicherheitsschuhen mit Stahlkappen, Helmen und Karbidlampen sind einige Bergleute tödlich verunglückt. Oftmals konnten sie auch erst Wochen später geborgen werden, da sie von Gestein verschüttet worden waren. „Ich war noch ein Kind, als ich erfuhr, dass ein Schlosser verschüttet wurde, den ich kannte. Es war schwer, solch ein Ereignis zu verarbeiten“, erinnert sich die 73-Jährige nur ungern.
Folgenschwer war auch der Ausbruch der Silikose, bekannt als Staublunge, die aufgrund des längerfristigen Einatmens von feinem Staub entsteht. Ihr Vater schreibt in seinem Büchlein über den Mosellaschacht: „Nun rangen sie nach Luft, langsam, und kurz wurden ihre Schritte. Selbst auf dem nahen Weg zum Schacht, wohin es sie immer noch zog, mussten sie verschnaufen.“ Daher wechselten viele zur neu errichteten Teppichfabrik in Mayen. „Diese Arbeit war sauber und nicht so gefährlich.“ Im Zweiten Weltkrieg wurde ein großer Teil der Belegschaft an den Westwall verpflichtet. Dies machte die Aufrechterhaltung des Betriebes schwierig. Nach dem Ende des Krieges kehrten nicht alle Arbeiter heim: Einige waren vermisst, gefallen oder in russischer Kriegsgefangenschaft. Auch die Geldentwertung und die Lebensmittelnot erschwerten die Weiterführung des Betriebs. Nach einer abgeteuften Tiefe von mehr als 305 Metern wurde trotz versuchter Erhaltung des Schachtes durch Anschaffung moderner Geräte am 31. Dezember 1975 das letzte „Glück auf“ gesprochen. Heute sind die demontierten Schachtgerüste und eine Diesellok im Museum Eslohe im Sauerland zu besichtigen. Vor Ort erinnern nur noch versteckte Stolleneingänge und ein verwahrlostes Arbeitsgelände an den Schieferabbau, an denen der Wanderweg „Nette-Schieferpfad“ vorbeiführt.
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