Wer macht schon Musik mit Quietscheschweinen? Der 49-jährige Enrico Lenzin tut das und noch vieles mehr. Der Appenzeller Rhythmuskünstler mischt vieles mit vielem. So kombiniert er das traditionelle Alphorn mit der modernen Loop Machine. Sie wird mit dem Fuß bedient und ist dazu gedacht, während der Performance Melodien oder Rhythmen aufzunehmen, zu überlagern und abzuspielen. Lenzin ist ein Mann vieler Talente: Er ist ein famoser Perkussionist, kennt sich im Stepptanz aus und benutzt andere, unkonventionelle Dinge, wie ein Fünf-Franken-Stück in einem Becken und Quietschesäuli, um Musik zu machen.
Zum Jazz-Drummer
Enrico Lenzin wurde im sankt-gallischen Rheintal geboren. „Schon als kleiner Bub wollte ich unbedingt trommeln“, erzählt der kraushaarige Musikus, während er seine Brille richtet und über den kurzen Bart fährt. Sein Großvater hatte ihm ein Waschbrett geschenkt, auf dem er trommeln konnte, weil ihm seine Eltern kein Schlagzeug kaufen wollten. Lenzins Vater spielte in der Militärmusik Trompete, so erlernte Enrico zuerst dieses Instrument. Mit 17 Jahren begann er Schlagzeug zu spielen. Er war in einer kaufmännischen Lehre, konnte sich aber weder vorstellen, Kaufmann zu werden, noch die Getränkehandlung seines Vaters zu übernehmen. Mit 21 ging er nach Wien und studierte ein Jahr Schlagzeug am American Institute of Music. In Zürich nahm er Privatunterricht beim Jazz-Drummer Pierre Favre und durfte an der Hochschule Luzern bei ihm Schlagzeug studieren.
Lenzin spielte in Theatern und verschiedenen Bands. Mit der Gipsy-Band The Duša Orchestra war er in ganz Europa unterwegs. Um unabhängiger zu werden, interessierte er sich für Solokonzerte. Doch das ist schwierig. „Es geht ja praktisch niemand zu einem Konzert mit nur Schlagzeug.“ Lenzin machte bei einem Projekt der Appenzeller Sängerinnen mit, bei dem es darum ging, Volksmusik und andere Musikrichtungen, wie Jazz, zu vermischen. „Da habe ich gedacht, wir brauchen noch etwas mehr Volksmusik; wir brauchen ein Alphorn.“ Aber es gab niemanden, der dies übernehmen wollte, so fing er selbst an, Alphorn zu spielen. Er fand Gefallen daran, bekam Jobs als Alphornspieler und Perkussionist und veröffentlichte seine erste Solo-CD.
Corona durchkreuzte die internationale Karriere
Heute hat Enrico Lenzin ein kleines Studio im sankt-gallischen Rebstein. Schon im Eingang stehen leere Milchkannen, die Lenzin bespannt und als Trommeln benutzt. Im Hauptraum stehen zwei Alphörner, das eine ist konventionell aus Holz, das andere besteht aus Carbon und ist zusammenschiebbar. An ihren Öffnungen steht ein Mikrofon, mit dem Lenzin die Alphörner aufnehmen und in seine Loop Machine einspielen kann. Ein weiteres kurioses Instrument ist das Alpsax. Es ist ebenfalls ein Alphorn und klingt auch wie eines, ist jedoch wie ein Saxofon geformt. Auf einem Tisch sind Quietscheschweine platziert. Auch eines der Talerbecken liegt dort. Auf der anderen Seite der Trommeln steht das elektronische Drumpad und darunter die Loop Machine. Das Drumpad erfüllt denselben Zweck wie die Loop Machine, wird jedoch mit einem Schlagzeugstock betätigt, und die Klänge, wie ein Trommelschlag oder ein Jodelruf, werden meist schon vor dem Auftritt eingespielt.Weiter hinten steht das Hang. Diese Schweizer Erfindung sieht aus wie eine Kugel, aus der jemand die Mitte herausgeschnitten und die Enden wieder zusammengeschweißt hat. Um einen Ton zu erzeugen, kann man nun auf gewisse abgesenkte Punkte klopfen und schlagen. Man spielt das Hang mit der „Hang“ – berndeutsch für Hand. Dieses Musikinstrument hat einen einzigartigen Klang und passt perfekt in die kuriose Sammlung.
Er ging zum Casting und übte wie verrückt
Dann rief das Schweizer Fernsehen an. Die Leute vom TV hatten eines seiner Youtube-Videos gesehen, in dem er mit musikalisch motiviertem Talerschwingen experimentierte, und fragten, ob er bei den „Größten Schweizer Talenten“ mitmachen wolle. Sie wollten etwas „schweizerisch Modernes“, er sei der perfekte Kandidat dazu. Lenzin zögerte, doch seine Kinder drängten: „Chumm, du muesch gooh!“ Er ging zum Casting, übte wie verrückt und bekam noch während der Ausstrahlung der Show Anfragen. Er durfte bei einer Autoshow in Indien, in Davos und bei den Swiss Football Awards spielen. Die Schweizer Botschaft in Südamerika buchte ihn, durch Videos der Performance konnte er weiter touren. Mit Schweiz Tourismus ging es durch Asien über Vietnam, Malaysia und Indonesien. Als es „richtig voll abging“, wie er sagt, machte ihm die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Aber er musiziert, komponiert und unterrichtet in seinem Studio.
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