Gießelmann ist in Düsseldorf angekommen. Er betont immer wieder, wie wohl er sich fühlt: auf dem Rasen, neben dem Rasen, in der Stadt, im Verein, in der Mannschaft, mit den Fans. Der 25-Jährige hat seinen Platz gefunden. Er spielt so souverän seinen Stiefel herunter, dass Trainer Friedhelm Funkel nicht auf ihn verzichten will. Und das, obwohl der 63-Jährige Woche für Woche die Rotationsmaschine anwirft.
Die Abwehr ist die große Konstante bei der Fortuna, für die in sechs Spielen schon 23 Profis auflaufen durften: Niko Gießelmann, Kaan Ayhan und André Hoffmann sind gesetzt und harmonieren hervorragend. In der Liga gab es für den Tabellenführer gerade fünf Gegentore – nur Verfolger Darmstadt 98 (vier) stand noch etwas sicherer, wenn man die nackten Zahlen betrachtet.
Gießelmann spielte sich schnell in die Fan-Herzen
Doch Gießelmanns Wert lässt sich nicht nur an seinem Abwehrspiel messen. Auch offensiv ist der linke Verteidiger eine Wucht. Im Wechselspiel mit Lukas Schmitz erzeugt er viel Druck. Zudem schießt er gefährliche Standards. Als sich Funkel wie beim 3:2 gegen Union Berlin auf einen der beiden gelernten Linksverteidiger beschränken wollte, wählte er Gießelmann – und stellte ihm Flügelflitzer Davor Lovren zur Seite.
Eigentlich brauchte der frühere Fürther ja sogar nur neun Minuten, um sich in die Herzen der Anhänger zu spielen. Am 1. Spieltag, beim 2:2 gegen Eintracht Braunschweig, tunnelte er auf der linken Seite erst Jan Hochscheidt und dann Mirko Boland, um anschließend das 1:0 von Marcel Sobottka vorzulegen. Unsere Leser wählten Gießelmann zum „Spieler des Spiels“ und kurz darauf zum Gewinner des Saisonstarts.
565 von 570 möglichen Minuten stand der Abwehrmann für die Rot-Weißen auf dem Feld. Weitere Zahlen dazu: Gießelmann gewann in der Liga 66,7 Prozent seiner Zweikämpfe, hatte 331 Mal den Ball, brachte alle seine Flanken an den Mann, gab vier Torschüsse ab und war an 16 Abschlüssen beteiligt – wohlgemerkt: als Verteidiger. Nur sechsmal foulte er den Gegner, elfmal wurde er gelegt.
„Wir glauben 90 Minuten an uns“
Der Erfolg des Teams lässt sich nicht an einer Person festmachen, aber Gießelmann hat einen erheblichen Teil zum besten Zweitliga-Start aller Zeiten beigetragen. „Wir glauben 90 Minuten an uns, kein Gegner darf jemals denken, dass wir schon geschlagen sind“, sagte er nach dem Last-Minute-Sieg gegen Berlin. Nun geht’s nach Fürth, zum Ex-Verein. Und im Frankenland brennt der Baum.
Die SpVgg hat aus fünf Partien gerade mal einen mickrigen Punkt geholt – und zwar am vergangenen Wochenende bei Dynamo Dresden (1:1). Davor setzte es Niederlagen in Darmstadt (0:1), gegen Arminia Bielefeld (1:2), bei Holstein Kiel (1:3) und gegen den FC Ingolstadt (0:1). Trainer Janos Radoki fiel offenbar einem Spieleraufstand zum Opfer. Damir Buric übernahm das Ruder von Interimslösung Mirko Dickhaut.
Keine Ahnung, ob er bei Euch „scheisse“ war aber bei uns macht er sich sehr sehr gut! ? #f95
— Fortuna Düsseldorf (@f95) September 11, 2017
Zur Vorbereitung auf das nächste Spiel gegen Fortuna sagte Buric, werde er sich „stundenlang verbarrikadieren und Videos schauen“. Zuletzt war der 53 Jahre alte Kroate, der unter anderem für Borussia Mönchengladbach und den SC Freiburg spielte, in Österreich bei Admira Wacker Mödling Trainer. Er sollte sich alle Spiele der Düsseldorfer anschauen, um die taktische Flexibilität des Gegners erfassen zu können.
Schlagabtausch bei Twitter
Funkel könnte auch beim Schlusslicht für die eine oder andere Überraschung gut sein. Unwahrscheinlich ist allerdings, dass Gießelmann fehlen wird. Ein Spieler, den sein Ex-Klub in der prekären Lage sicherlich vermissen dürfte. Denn auch in Fürth war der gebürtige Hannoveraner Leistungsträger, absolvierte in vier Spielzeiten jeweils mehr als 30 Spiele.
Nicht alle Fans scheinen den Abgang des Abwehrspielers verkraftet zu haben. „Wenn der Gießelmann genauso scheiße spielt wie bei uns, ist Fortuna zu schlagen. Easy“, twitterte ein Fürth-Anhänger im Vorfeld des Spiels. Und die Düsseldorfer reagierten prompt: „Keine Ahnung, ob er bei euch ’scheiße‘ war, aber bei uns macht er sich sehr, sehr gut!“ Vermutlich hätte es keine Antwort gebraucht. Die Wahrheit liegt nun mal auf dem Platz.
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