5.30 Uhr. Es ist ein dunkler und kühler Samstagmorgen im Spätherbst, an dem man am besten im Bett geblieben wäre. Allmählich füllt sich der Parkplatz irgendwo im Rhein-Neckar-Kreis mit Autos. Müde Gesichter kommen zum Vorschein, doch zum Glück gibt es ja Kaffee. Noch schnell ein Teststäbchen in die Nase gesteckt, da fährt auch schon ein Bus vor. Menschen steigen ein, hier ein Sechzehnjähriger, weiter hinten eine Siebzigjährige. Eyob grüßt die Anwesenden. Er ist vor sechs Jahren aus Eritrea nach Deutschland gekommen. Insgesamt neun Nationen sind auf den 33 Quadratmetern vertreten. Auch ein Bürgermeister ist dabei. Außen am Bus hängt ein großes weißes Schild mit der Aufschrift „Ahrschipper – Together we AHR better“. Ziel der Reise: die Ahr.
Mit Vierzigtonner ins Katastrophengebiet
Mit der Morgendämmerung erwachen auch die Insassen des Busses. Der Kaffeekonsum hat seinen Höhepunkt erreicht. Es wird munter geredet und gelacht. Der dunkelblaue Reisebus mit rosa, lila und grünen Streifen legt routiniert seine Strecke zurück. Der Einzige, der ebenfalls immer in Bewegung bleibt, ist Joe, wie ihn alle nennen. Joachim Herrmann ist schon den ganzen Morgen im Bus unterwegs und gibt wichtige Anweisungen. Der gebürtige Pfälzer zog vor Jahren ins badische Plankstadt und ist seitdem für ein Transportunternehmen tätig. Am Tag nach der Flut hatte der Lastkraftwagenfahrer bei Facebook von einer Sachspende gelesen und kurzerhand beschlossen, diese mit seinem Vierzigtonner im Katastrophengebiet abzuliefern. Ergriffen von den Ereignissen wollte er danach auch aktiv helfen, gab Annoncen in der örtlichen Zeitung auf und warb um Mitstreiter. Mit großem Erfolg, denn bereits am darauffolgenden Samstag fuhr er mit seiner Kohorte nach Altenahr. An seinen ersten Einsatz erinnert sich der Sechzigjährige noch genau. „Als wir am Treffpunkt ankamen, da sah wirklich alles noch ganz normal aus. Natürlich hat man am Gras erkannt, dass es viel geregnet hat, aber mehr auch nicht. Ich habe den Einsatzleiter gefragt, wo wir hingehen sollen. Der aber meinte nur: ‚Lauft einfach mal die Straße hinunter.‘ Das taten wir, haben aber nichts Besonderes bemerkt. Da machte die Straße einen Knick nach rechts, und vor uns war nur noch Schlamm und Verwüstung. An einem Haus stand ein Mann, zwei Meter groß. Ein Mann wie ein Baum. Er trug Sachen aus dem Haus, die hätten wir zu zweit nicht rausbekommen. Unsere Hilfe wollte er erst nicht annehmen, doch kurze Zeit später haben wir angepackt. Ich habe noch nie einen Mann mit so einer Statur, einen wirklich gestandenen Mann, gesehen, der später vor lauter Dankbarkeit auf der Treppe sitzend weint. Das sind Momente, die bleiben hängen.“
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