Analyse
Düsseldorf
Die Olympischen Spiele in Peking sind äußerst umstritten. Ein diplomatischer Boykott wurde von vielen Ländern angekündigt. Ein sportlicher Boykott wurde gefordert. Dennoch fahren die Sportler nach China. Das hat mehrere Gründe.
Um es ganz an den Anfang zu stellen: Ja, die Olympischen Spiele in Peking sind auf vielen Ebenen zurecht äußerst umstritten. Die Menschenrechte werden in der Volksrepublik China mit Füßen getreten, Pressefreiheit gibt es de facto nicht und mit Umweltschutz nimmt man es ohnehin nicht so genau. Die Kritik am Ausrichter der Spiele ist vollends berechtigt. Dennoch beginnt am Freitag in Peking das größte Sportfest der Welt und kaum ein Athlet oder eine Athletin wird freiwillig auf ihren Start bei den Wettbewerben verzichten – trotz Boykott-Forderungen. Das hat gleich mehrere Gründe.
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Olympia als Lebensziel: Die Olympischen Spiele sind für die Sportler das Größte, was sie erreichen können. „Für jeden Sportler ist die Teilnahme an den Olympischen Spiele der größte Traum, – egal wie häufig man schon dabei war“, schrieb etwa der mehrfache Olympia-Medaillengewinner Tobias Angerer in seinem Gastbeitrag für unsere Redaktion. Ähnlich äußerten sich sehr viele Athleten aus der aktuellen Generation, die ab dem 4. Februar in Peking um die Medaillen kämpfen werden. Olympische Spiele seien der Grund dafür, dass sie jeden Tag früh aufstehe, sagte zum Beispiel die deutsche Skifahrerin Lena Dürr. Andere argumentierten damit, dass es einfach ihr Job sei.
Medaillen werden trotzdem vergeben: Die Olympischen Spiele 1980 in Moskau sind eine Besonderheit. Neben den USA boykottierten auch die Bundesrepublik, Japan, Kanada, Norwegen und Kenia die Spiele, nachdem die Sowjetunion Ende 1979 in Afghanistan einmarschierte. Obwohl damals viele der besten Athleten und Athletinnen der Welt fehlten, wurden trotzdem die Medaillen vergeben und die Sportler vor Ort freuten sich über ihre Erfolge. Bis heute bereuen viele, die damals nicht nach Moskau reisen durften, dass sie nicht dort waren. Sie wurden ihren Chancen beraubt, eine Olympia-Medaille zu gewinnen. „Der olympische Boykott war eines der berühmtesten, aber widersinnigsten, überflüssigsten und politisch wie sportlich schädlichsten Ereignisse“, sagte der damalige Präsident des deutschen Olympischen Komitees Willi Daume.
Förderung hängt von Ergebnissen bei Olympia ab: Der deutsche Bob-Pilot Johannes Lochner rechnete es in einem ARD-Film vor: Pro Saison hat er für sein Team, das aus ihm und sechs Anschiebern besteht, Fixkosten von 150.000 Euro. Darunter fallen Material, Trainingslager, Fahrzeuge, Hotelübernachtungen, Anreisen zu den Wettbewerben. Der Leistungssport ist für alle Beteiligten eine teuere Angelegenheit, für die Erfolge unerlässlich sind. Sponsoren zahlen in der Regel dann Geld, wenn sie auch im Fernsehen gezeigt werden und auf den Podien dieser Welt in die Kameras gehalten werden. Dafür müssen die Sportler vorn dabei sein – auch und vor allem bei den Olympischen Spielen, wo die Sportarten die größte Medienpräsenz erhalten. Auch hängt die Förderung der Athleten durch öffentliche Gelder in Deutschland massiv von Ergebnissen bei Großereignissen ab. Vereinfacht lässt sich sagen: Je erfolgreicher ein Sportler und eine gesamte Sportart bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen abschneidet – also je mehr Medaillen eingefahren werden – desto mehr Geld fließt für den nächsten Olympia-Zyklus. Deshalb würde ein Boykott der Olympischen Spiele in Peking viele Sportler finanziell sehr hart treffen.
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Die Athleten waren an Vergabe nach China nicht beteiligt: Die Teilnehmerinnen können nichts für die Wahl des Veranstaltungsortes, was die Lage für Sie umso unangenehmer macht. „Sie stecken in einem Dilemma, weil sie nicht wollen, dass mit ihrem Sport Schaden angerichtet wird oder dieser mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung steht“, schrieb Karla Borger, die Vorsitzende des Vereins „Athleten Deutschland“, in einem offenen Brief: „Einige trauen sich, offen Kritik zu üben. Gleichzeitig sollte die Verantwortung für die unmögliche Situation, in die der Weltsport seit Jahren absehbar zusteuert, nicht auf den Schultern der Athlet*innen abgeladen werden. Sie waren von allen Vergabe- und Entscheidungsprozessen ausgeschlossen, sind selbst betroffen. Es ist deshalb ungerecht, dass sie Jahre später die Fehler des IOC ausbaden sollen.“
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