Luftüberwachung im Zürcher Oberland


Verlassen liegen die Rollbahnen des Flugplatzes Dübendorf bei Zürich in der Sonne, umgeben von einem hohen Zaun aus Stacheldraht. In der Ferne dröhnen die Rotorblätter eines Hubschraubers. Neben dem Rollfeld ragt das graue Gebäude der Luftüberwachung in den Himmel. Jürg Müller, ein großer Mann mit breiten Schultern und kurzem Haar, wartet in der Eingangshalle. Er trägt T-Shirt, Jeans und eine Fliegeruhr mit tiefblauem Ziffernblatt – dasselbe Blau wie seine Augen.

Karte mit Sperrzonen

Der 51-jährige „Identification Operator“, so seine Berufsbezeichnung, deutet auf die Bilder an der Wand. Sie zeigen Radarschirme, Karten und Flugzeuge. „Hier drüben siehst du ein Radarbild, wie wir es bei der Luftüberwachung haben. Jeder Punkt ist ein Flugzeug. Und auf diesem Bild ist eine Karte mit sämtlichen Sperrzonen in der Schweiz. Wenn ein Flugzeug in eine dieser Zonen vordringt, ohne uns über Funk zu kontaktieren, haben wir ein Problem.“ In diesem Fall müssen Müller und sein Team versuchen, über die zuständigen Dienststellen mit dem Flugzeug Kontakt aufzunehmen. Falls dies über Funk nicht gelingt, stehen zwei Piloten mit ihren F/A-18-Kampfjets Tag und Nacht startbereit, um mit den Flugzeugen direkt in der Luft zu kommunizieren – im Notfall auch mit Handzeichen aus dem Cockpit.

Im Fall eines Blaulichteinsatzes

„Die Aufgabe der Luftüberwachung ist es, die Sicherheit und Neutralität im Schweizer Luftraum zu wahren.“ Müller muss verhindern, dass Flugzeuge ohne Erlaubnis in den Luftraum eindringen, und die Flugzeuge, die über die Schweiz fliegen, überwachen. Dies tut er mittels eines Radarschirms. Unzählige Punkte, mit Abkürzungen und Symbolen gekennzeichnet, fliegen mit kontinuierlicher Geschwindigkeit kreuz und quer über den Bildschirm. Militärflugzeuge, Linienflugzeuge und Privatmaschinen sind alle mit unterschiedlichen Markierungen versehen. „Mit der Zeit hat man ein Auge dafür“, sagt Jürg Müller. Neben der Überwachung auf dem Radarschirm hört er verschiedene Funkfrequenzen ab. Falls er einen Verstoß gegen die Luftverkehrsregeln beobachtet oder ein Notsignal empfängt, informiert er den „Chief Air De­fense“. Sein Vorgesetzter entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Im Falle einer „hot mission“, eines Blaulichteinsatzes, werden Militärflugzeuge, die sich bereits in der Luft befinden, eingesetzt, um ein Flugzeug abzufangen oder ihm Hilfe zu leisten. „Der Einsatz aus der Luft soll schnell und kosteneffizient sein.“ Erst dann, wenn sich kein Flugzeug in der Luft befindet, oftmals nachts, lässt der Chief Air Defense die Alarmstaffel starten.

Monitore, Radarschirme, Telefone

Auf dem Weg von der Halle zur Einsatzzentrale liegt eine Sicherheitstür, die nur mit einer Chipkarte geöffnet werden kann. Dahinter erstreckt sich ein hell beleuchteter Gang, die Wände voller Flugaufnahmen von Kampfflugzeugen, Luftakrobatikfliegern und Militärhubschraubern. Im Vorbeigehen grüßt Jürg Müller die Frau vom Reinigungspersonal freundlich. Er kennt die meisten Mitarbeiter beim Namen. Hinter einer weiteren Tür verbirgt sich sein Arbeitsort – das Herzstück der Luftüberwachung. Die Einsatzzentrale ist ein großer Raum, ausgestattet mit Monitoren, Radarschirmen und Telefonen. Von seinem Bürostuhl aus hat Müller den gesamten Flugverkehr im Blick. Auf dem Radarschirm sind die Grenzen der Schweiz und der umliegenden Länder zu sehen. Zwei weitere Bildschirme informieren über die Flugzeuge und den Luftverkehr. Um verschiedene Dienststellen zu kontaktieren, hat er drei Telefone, dazu noch das Headset.

Als Kind auf der Zuschauerterrasse

Er verbrachte seine Kindheit im Limmattal, wo er tagtäglich Flieger im Landeanflug beobachten konnte. Zudem besuchte er oft die Zuschauerterrasse des Flughafens Zürich. „Als Kind war es einfach das Größte, wenn man dem Jumbo-Piloten zuwinken konnte und dieser einem zurückwinkte.“ Militärflugzeuge haben ihn besonders angesprochen. „Die Schnelligkeit, Wendigkeit und die Leistung der modernen Kampfjets haben mich fasziniert“, schwärmt der Aviatik-Fan. Nach dem Besuch der Sekundarschule war Jürg Müller unsicher, welche Berufsrichtung er einschlagen wollte. „Ein großer Traum war der Beruf als Pilot. Deshalb besuchte ich auf Anraten meines Vaters die Verkehrsschule, eine Diplommittelschule, die zwei Jahre dauerte. Leider reichten meine Noten nicht aus, um den Berufsweg des Piloten einzuschlagen.“ Er nahm einen Job bei der Sicherheitspolizei des Flughafens Zürich an. 21 Jahre lang arbeitete er bei der Grenzpolizei, als Polizeigrenadier und als Bombenentschärfer im „Bomb Squad“, dort musste er sich vor allem um herrenlose Gepäckstücke kümmern, bei denen es Verdacht auf Sprengstoff gab.

Den Verlust einer PC-7 miterleben

Vor fünf Jahren nahm der ehemalige Polizist ein Stellenangebot bei der Luftwaffe an. „Persönlich gibt es mir ein gutes Gefühl, einen Beitrag zur Sicherheit und Souveränität des schweizerischen Luftraums zu leisten“, hält der Vater von drei Kindern stolz fest. Was ihn beschäftigt, sind Unfälle und Abstürze. Zusammen mit seinem Kollegen, mit dem er die Schicht teilte, musste er den Verlust einer PC-7 miterleben. „Für mich verschwindet nur ein Punkt vom Bildschirm, aber ich stelle mir vor, wie ein Flugzeug abgestürzt ist und Menschen gestorben sind. Das gibt mir ein beklemmendes Gefühl.“ Draußen ist es dunkel geworden, die Fahnen wehen im stürmischen Wind. Jürg Müllers Schicht wird bis tief in die Nacht dauern. Hellwach und mit aufmerksamen Augen wird er das Geschehen in der Luft beobachten.

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