Die Pflegekraft Ines Maria R. soll vier Schutzbefohlene getötet haben. Zum Prozessauftakt zeichnet die Angeklagte ihre Lebensgeschichte nach und berichtet von einem Suizidversuch in der Jugend sowie langjährigem Alkoholmissbrauch.
Im Prozess um die Tötung von vier Bewohnern eines Potsdamer Heims für Menschen mit Behinderung hat die Angeklagte eine freudlose Kindheit und Jugend geschildert. Sie habe von früher Kindheit an unter Krankheiten und schweren Ängsten gelitten, berichtete die 52-Jährige zum Prozessauftakt vor dem Potsdamer Landgericht. „Im Kindergarten hatte ich keine Freunde – weil ich mich anders fühlte“, sagte sie. Auch von ihrer Mutter habe sie sich nicht geliebt gefühlt.
Nachdem sie mit 14 Jahren einen Suizidversuch unternommen habe, sei sie für acht Monate in die Charité gekommen und dort in einem Modellversuch mit Medikamenten aus der Schweiz behandelt worden. „Das war mein Trauma“, sagte Ines Andrea R. 1990 habe sie nach einer abgebrochenen Ausbildung zur Pflegerin in einer Potsdamer Einrichtung für schwerbehinderte Kinder und Jugendliche als Pflegekraft begonnen. „Ich habe mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen gearbeitet – aber mir selbst konnte ich nicht helfen“, schilderte die 52-Jährige ihre damaligen Empfindungen.
1993 wurde das Haus von der diakonischen Einrichtung Oberlinhaus übernommen, bei der sie bis zu der Tat angestellt war. Von ihrem 20. bis zum 38. Lebensjahr habe R. keine Medikamente genommen, sondern zur Dämpfung ihrer psychischen Probleme Alkohol getrunken. Nach einem Zusammenbruch mit 38 Jahren sei sie erneut therapeutisch und medikamentös behandelt worden.
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Die 52-Jährige muss sich vor der 1. Strafkammer des Potsdamer Landgerichts wegen Mordes und Mordversuchs verantworten. Laut Anklage soll sie am Abend des 28. April in dem Wohnheim vier wehrlose Bewohner im Alter zwischen 31 und 56 Jahren mit einem Messer in ihren Zimmern angegriffen und tödlich verletzt haben. Eine 43-jährige Bewohnerin überlebte schwer verletzt nach einer Notoperation.
Anklage erkennt Heimtücke
Die Staatsanwältin Maria Stiller wirft der R. Heimtücke vor. Sie habe am Tatabend des 28. April gewartet, bis die beiden weiteren Pflegekräfte in anderen Teilen der Station beschäftigt waren, erklärte Staatsanwältin Stiller bei der Verlesung der Anklage. Dann sei sie in zwei Zimmer geschlichen und habe zunächst versucht, zwei Bewohner zu erwürgen.
Als sich dies als zu anstrengend erwiesen habe, habe die Angeklagte in einem Aufenthaltsraum ihren Beutel mit persönlichen Sachen geholt, sagte Stiller. Dabei habe sie einer Kollegin erklärt, sie wolle die Station kurz verlassen. Stattdessen sei sie in die Zimmer von Bewohnern geschlichen und habe ein mitgebrachtes Messer mit einer Klingenlänge von elf Zentimetern aus dem Beutel genommen. Damit habe R. zwei Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 31 und 56 Jahren mit Schnitten in den Hals getötet.
Eine 43-jährige Bewohnerin überlebte einen weiteren Messerangriff schwer verletzt. „Ihr war bewusst gewesen, dass es sich bei den fünf Geschädigten um schwerstbehinderte Menschen handelte, die nicht in der Lage waren, sich zu wehren oder Hilfe zu rufen“, sagte die Staatsanwältin. Diese Wehrlosigkeit habe die Angeklagte ausgenutzt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Pflegekraft die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat. Für den Prozess sind zehn Verhandlungstage bis zum 9. Dezember angesetzt. Insgesamt sollen mehr als 40 Zeugen gehört werden.
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