Köln
Steffen Baumgart und der 1. FC Köln, das könnte passen. Dachten viele vor der Saison. Wie schnell eine innige, beidseitige Liebe entsteht, hätte kaum jemand gedacht. Selbst nach dem Spiel gegen den kriselnden Vize-Meister RB Leipzig redeten fast alle über den FC-Coach.
Über Anthony Modestes Bezeichnung „Löwe an der Linie“ musste Steffen Baumgart schmunzeln. Das Attribut „Trendsetter“ wehrte der Trainer des 1. FC Köln trotz seiner Kult gewordenen Schiebermütze ab: „Ich kann mir vieles vorstellen. Aber dass ich ein Trendsetter bin, bestimmt nicht.“ Und auch die Frage, ob er wie Pep Guardiola sei, empfand er nach dem 1:1 gegen Vize-Meister RB Leipzig fast als befremdlich. „Ich bin garantiert nicht wie Pep, und das möchte ich auch gar nicht sein. Ich geh schon meinen eigenen Weg.“
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Als er als möglicher „Jürgen Klopp des FC“ bezeichnet wurde, hellte sich Baumgarts oft so grimmig scheinende Miene auf. „Das wäre doch ein schönes Ziel“, sagte er bei „Bild“: „Wenn man nach und nach eine Mannschaft entwickeln kann. Dortmund war im ersten Jahr mit Jürgen Klopp auch Zwölfter.“
Nun wollte Baumgart sicher auch nicht indirekt auf einen baldigen Meistertitel des FC spekulieren, wie es Klopp in Dortmund in der dritten Saison schaffte. Doch seine Nichts-ist-unmöglich-Attitüde hat er in das zutiefst verunsicherte Kölner Umfeld in Rekordzeit implantiert. „Es ist unglaublich, was in Köln in den letzten drei Monaten passiert ist“, staunte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus als Sky-Experte: „Sie spielen mit Leidenschaft, attraktiv, sie spielen nach vorne. Vorher haben sie nur nach hinten gespielt.“ Und so bedankte sich Matthäus „für einen schönen Fußball-Abend mit 90 Minuten Power-Fußball. Es hätte auch 5:5 ausgehen können.“ Und das nicht nur wegen der insgesamt vier aberkannten Abseitstore.
Kölns Stürmer Anthony Modeste hatte eines davon vorgelegt, eines selbst erzielt, beim dritten durfte der Franzose dann doch seinen vierten Saison-Treffer bejubeln. Der sensible Franzose, von vielen längst als teures Auslaufmodell abgeschrieben, steht sinnbildlich dafür, wie der Coach Spieler erreicht. Und nachdem Modeste in der Vorwoche schon „den lieb ich“ über den Trainer gesagt hatte, schwärmte er nun: „Wir haben da einen Löwen an der Linie.“
Und das nur wenige Sekunden, nachdem er am Sky-Mikrofon in Tränen ausgebrochen war. „Mein Papa hat heute Geburtstag. Das sind sehr viele Emotionen für mich“, sagte Modeste: „Ich habe meinen Papa vor drei Jahren verloren.“
Modeste habe „unheimlich viel wegstecken müssen in den letzten zwei, drei Jahren“, sagte der am Samstag überragende Torhüter Timo Horn. Doch dann kam Baumgart, und der Torjäger blühte auf. Wie Großteile der Mannschaft. „Steffens Erfolgsrezept ist es, die gesamte Mannschaft mitzunehmen“, sagte Mark Uth: „Wir folgen ihm. Sein Spiel ist intensiv und kostet Kraft. Aber wenn die ausgeht, bringen wir eben die Jungs von der Bank. Die brennen auch.“
So wurde Baumgart bei seinem TV-Marathon durch alle Sender denn auch gefragt, ob er nicht nach höheren Aufgaben schiele. „Erstens hab ich keine Ausstiegsklausel und zweitens denke ich nicht drüber nach“, sagte er und ergänzte: „Nennen sie mir größere Verein als den FC. Es gibt nur drei: Der eine spielt 2. Liga, der zweite wird immer deutscher Meister und der dritte versucht, Meister zu werden. Von daher ist es hier eine spannende Aufgabe. Ich bin bei einem großen Verein und ich hoffe, dass ich noch lange hier bin.“
Am Verein wird es sehr wahrscheinlich nicht liegen.
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