Jugendgewalt: Mädchen kämpfen mit Gewalt um Anerkennung

Prügeln ist typisch für Jungs. Mädchen und Frauen schlagen nicht, sondern kratzen, ziehen sich an den Haaren oder packen Gewalt allenfalls in Worte. Von wegen! Eine Studie widerlegt solche Rollenklischees. Zwar sind Mädchen statistisch betrachtet weniger gewalttätig als Jungen, aber in der Intensität von Gewalt zeigen sich zwischen den Geschlechtern wenig Unterschiede. Weibliche Jugendliche nutzen verbale und körperliche Gewalt häufig als Mittel, um Anerkennung zu gewinnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Claudia Equit von der Technischen Universität Dortmund.

Für ihre Dissertation untersuchte Equit, warum manche Mädchen wiederholt Gewalttaten begehen und straffällig werden. Die Wissenschaftlerin suchte Antworten auf Fragen wie: Unter welchen Bedingungen üben Mädchen und junge Frauen Gewalt aus? Wie äußert sich diese Gewalt? Worin unterscheiden sich Mädchen, die häufig Gewalt ausüben von anderen, die so gut wie nie gewalttätig werden? Als Grundlage dienten 20 Interviews mit weiblichen Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahren. Die Befragten wurden gebeten, selbst erlebte Gewaltsituationen und -erfahrungen zu schildern.

Gewalttätige Mädchen waren selbst Opfer von Gewalt

„Eines der Hauptmerkmale ist, dass alle Erfahrungen als Opfer gemacht haben“, erklärt Equit. Dazu zählten sexueller Missbrauch und Gewalt in der Familie, aber auch Mobbing in der Schule. Oft versuchten diese Mädchen gemeinsam mit ihrem Freundeskreis, sich nach außen als besonders hart im Nehmen und durchsetzungsfähig zu verkaufen. „Gewalt ist für sie eine Form, um die Opfererfahrung verarbeiten zu können.“

Eltern dürfen Mobbing nicht unterschätzen

Laut der Befragung leiden die Mädchen unter einem grundlegenden Verlust von Anerkennung. Eltern sollten es daher nicht unterschätzen, wie stark beispielsweise Mobbing das Selbstwertgefühl ihres Kindes untergraben kann. In jedem Fall sollten Mutter und Vater dort ansetzen und mit professioneller Hilfe versuchen, den Mobbingprozess zu stoppen. Wichtig wäre außerdem, Wege zu finden, um das Selbstbewusstsein wieder aufzubauen.

Auch Mädchen verteidigen ihre Ehre mit Gewalt

Empfindlich reagieren Mädchen auch auf Kommentare, mit denen sie sich in ihrer Weiblichkeit herabgesetzt fühlen: „Beispielsweise kam es zu Taten, wenn ein Mädchen einem anderen vorwarf, ihr den Freund wegnehmen zu wollen.“ Gewalt sei in dieser Situation eine Möglichkeit, die Ehre wiederherzustellen. Gesellschaftlich betrachtet, werden Mädchen im Vergleich zu Jungen weniger stark als Täter angesehen: „Das wird auch von der Polizei nicht so ernst genommen“, sagt Equit.

Die Dissertation von Claudia Equit ist im Buchhandel erhältlich unter dem Titel „Gewaltkarrieren von Mädchen. Der ‚Kampf um Anerkennung‘ in biografischen Lebensläufen“ (VS Verlag, ISBN 9783531183909).

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