In Deutschland droht nach Ansicht von Experten ein Drittel der Kinder und Jugendlichen abgehängt zu werden. Sie wüchsen unter Bedingungen auf, die noch nie so ungerecht wie heute gewesen seien, kritisierte die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) auf Grundlage einer neuen Studie. Dem gegenüber gehe es zwei Dritteln der Kinder und Jugendlichen so gut wie noch nie.
„Die Schere geht immer weiter auseinander“, sagte die AGJ-Vorsitzende Karin Böllert. Dabei sei die Lage für das „Verlierer-Drittel“ fatal. „Kinder, die einmal abgekoppelt sind, haben kaum Chancen, in der Gesellschaft Fuß zu fassen.“ In Berlin beispielsweise lebe jedes dritte Kind von staatlichen Geldern, ergänzte Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).
Aufwachsen mit einer „Risiko-Hypothek“
Die benachteiligten Minderjährigen tragen nach Böllerts Worten eine „Risiko-Hypothek“. Dazu gehörten Armut im Elternhaus, ein geringes Bildungsniveau in der Familie oder Arbeitslosigkeit der Eltern. Insgesamt ist ein Drittel der Kinder und Jugendlichen von mindestens einem dieser Faktoren betroffen. Auf viele junge Menschen treffen jedoch gleich mehrere dieser Risiken zu, erklärte die AGJ-Vorsitzende. Häufig handele es sich dabei um Kinder aus Migrantenfamilien und von Alleinerziehenden.
Für die Studie hat die AGJ bundesweit amtliche Statistiken der vergangenen 20 Jahre ausgewertet. Danach wachsen heute 18 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Familien auf, in denen großer Geldmangel das Alltagsleben prägt. Zwölf Prozent haben Eltern ohne ausreichende Schulbildung und in zehn Prozent der Familien haben die Eltern keine Arbeit.
Die Förderung der Kinder muss weiter gestärkt werden
Deutschland könne es sich nicht leisten, Kinder mit schlechten Startchancen ins Leben zu schicken, mahnte Böllert. Sie forderte, sich intensiver als bisher um die „Bildungsverlierer“ zu kümmern. Als Gegenmaßnahmen empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft eine noch gezieltere und individuellere Förderung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Elternhäuser – und zwar von Anfang an. So müsse in Kitas auf drei Kinder unter drei Jahren eine Erzieherin kommen. Noch entfielen vier oder mehr Kinder auf einen Betreuer. Zudem müsse es auch für Kinder arbeitsloser Eltern Ganztagsplätze in Schulen und Kindergärten geben.
Deutschland ließ sich die Kinder- und Jugendhilfe nach Berechnungen des Verbandes im Jahr 2012 rund 32 Milliarden Euro im Jahr kosten, so viel wie noch nie. 2002 waren es 20 Milliarden Euro. Den größten Zuwachs gab es durch den neuen Anspruch auf einen Krippenplatz bei den Kitas. 70 Prozent der Kosten für die Kinder- und Jugendhilfe finanzieren die Kommunen. Damit haben sie ihre Ausgaben dafür laut Untersuchung seit 1990 mehr als verdoppelt.
Die anderen zwei Drittel
Knapp 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen geht es nach der Studie noch nie so gut wie heute. Im Ergebnis verzeichnen die Autoren einen „enormen Bildungsaufstieg“ dieser jungen Generation. Die Hälfte schaffe inzwischen das Abitur, der Anteil der Schulabbrecher nehme kontinuierlich ab und liege heute bei weniger als sieben Prozent.
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