Kurs für Jugendliche
Aufklärung mit dem Verhütungs-Krabbelsack
Jugendliche lernen, wie sie Schüler alles Wichtige zum Thema Verhütung vermitteln können. Kursleiterin Uschi Traub erklärt, weshalb Aufklärung auf Augenhöhe besser funktioniert.
Ludwigsburg – Die meisten denken, es gibt nur Pille und Kondom“, sagt Dominik. Mit 13 Jahren ist er der jüngste der Gruppe. Dass es auch das Kondom für die Frau, den Temperaturcomputer oder eine Verhütungs-App gibt und welche Vor- und Nachteile die Schwangerschafts-Verhinderungs-Methoden haben, hat er im Kurs im Ludwigsburger Kreishaus gelernt.
Seit nun 15 Jahren bildet das Amt für Gesundheit und Verbraucherschutz junge Leute aus, die anderen jungen Leuten beibringen, worauf sie beim Sex achten sollten. Diesmal sind Schüler des Mörike-Gymnasiums in Ludwigsburg, des Stromberg-Gymnasium in Vaihingen an der Enz und der Realschule im Aurain in Bietigheim dabei. Die Jugendlichen, die ihren Altersgenossen das Wissen vermitteln, werden „Peer Educators“ – also gleichaltrige Erzieher genannt.
„Die Idee stammt aus der Suchtaufklärung“, sagt Uschi Traub vom Fachbereich Gesundheitsförderung und Prävention, die mit Mathias Bolter den Workshop leitet. Dort gab es Aufklärung durch Jugendliche bereits in den 90er Jahren. Dazu haben Umfragen gezeigt, dass junge Menschen Jugendliche eher akzeptieren und dass die Vermittlung des Wissens durch nahezu Gleichaltrige wesentlich effektiver ist.
„Wenn Jugendliche das machen, ist das aus ihrer Sicht“
„Ich hätte mir auch gewünscht, früher auf diesem Weg von all den Dingen zu erfahren“, sagt die 15-jährige Caprice. Deshalb sei sie hier. Unter Gleichaltrigen könne man offener reden. „Wenn Jugendliche das machen, ist das aus ihrer Sicht“, meint der 15-jährige Finn. „Wir haben eine andere Sprache.“
Damit mehr Wissen in den Köpfen bleibe, sei es aber auch wichtig, es interessant zu verpacken. Zum Beispiel über den Verhütungs-Krabbelsack, aus dem die Schüler Spirale, Diaphragma oder Vaginalzäpfchen ziehen und dann erklären sollen, was sie herausgefischt haben. Für den Spaßeffekt sind aber auch andere Dinge darunter, wie etwa ein Stringtanga in Giraffenform. Lachen ist erlaubt. Gut kommt auch die Weiterentwicklung des Spiels „Activity“ an. Dabei gilt es, Begriffe aus dem Bereich der Verhütung zu erraten, die zeichnerisch und pantomimisch dargestellt werden.
Ein besonderes Einsatzmittel ist die Sex-Couch. Dabei sitzen immer zwei Mädchen oder zwei Jungs darauf und beantworten die Fragen des anderen Geschlechts. „Das funktioniert super“, sagt Traub. „Wir sind erstaunt, wie offen die jungen Leute über alles reden.“ Dann kommen zum Beispiel Fragen, wie Jungs Models finden oder ob die Penisgröße für Mädchen tatsächlich wichtig ist. Wie Frauen und Männer in den Medien dargestellt werden, spiele dabei eine große Rolle.
Pornos und Medien prägen das Bild von Sexualität
Auch der schnelle Zugang zu Pornos übers Internet präge das Bild der Jugendlichen von Sexualität, sagt Traub. Der viele Input setze sie unter Druck und wecke Versagerängste. Viele glaubten, beim ersten Mal Leistung bringen zu müssen. Auf der Sex-Couch wird über alles gesprochen. Die Mädchen und Jungs sollen dadurch erkennen, dass es eben nicht das eine Ideal für Attraktivität gibt, das bei allen gut ankommt.
Bis die jungen Leute das notwendige Handwerkszeug samt Kondomführerschein, Wissen über die Anatomie von Mann und Frau und über Geschlechtskrankheiten haben, brauchen sie drei Nachmittage und einen Tag am Wochenende. Dabei dürfen sie sich ein Thema wünschen. Gern wollten die Jugendlichen, sagt Traub, dann mehr über Homosexualität oder über sexuelle Gewalt wissen. Dazu lernen sie, wie sie mit Schülern umgehen, die noch mehr kichern als sie selbst.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Lehrgangs dürfen die jungen Aufklärer in den Unterricht, meist in die sechsten oder siebten Klassen. Wichtig sei, sagt Traub, dass beide Geschlechter vertreten seien. Manche Kursabsolventen trauten sich aber auch in die Oberstufe oder an die Berufsschule. Dort sei dann nicht mehr Aufklärung von null, sondern eher für Fortgeschrittene gefragt – zum Beispiel zum Thema Geschlechtskrankheiten.
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