Die Bilder sind drastisch und allgegenwärtig: Auch Kinder werden mit Nachrichten wie denen über die Anschläge in Paris oder andere schlimme Ereignisse konfrontiert. Eltern sollten sie damit nicht alleine lassen, sondern das Gesehene besprechen – und manchmal Informationen aussparen.
Die Bilder und Nachrichten der Weltereignisse halten viele Erwachsene in Atem: Terroranschläge in Europa, Flugzeugabstürze, Bürgerkrieg in Syrien, Naturkatastrophen – die Liste der Schreckensereignisse ist lang.
Schlechte Nachrichten lassen sich nicht verheimlichen
Können schon Erwachsene die Geschehnisse oft nur mühsam verdauen, so ist oft unklar, was Kinder und Jugendliche davon mitnehmen und verstehen. „Die Idee hat sich erledigt, die Kinder von den großen, fürchterlichen Weltereignissen fernzuhalten – die Bilder sind omnipräsent“, sagt die Medienpädagogin Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI).
Herausforderung für Eltern
Doch wie soll man den Kindern diese Welt erklären, ohne Angst zu schüren? Und welche Bedürfnisse hat der Nachwuchs in unterschiedlichen Altersklassen? „Es ist im Augenblick wirklich eine große Herausforderung für Eltern, jeweils Erklärungen zu geben“, sagt Verena Weigand, Jugendschutzreferentin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Dabei müssen zum einen der Wissensstand und das Verarbeitungsvermögen der Kinder berücksichtigt werden, aber auch die Art und Weise, wie Kinder von den Nachrichten erfahren.
Zusammen informieren
„Jugendliche informieren sich leider häufig nicht gerade in den seriösen Medien über die Geschehnisse“, sagt Weigand. Oft erhielten sie unausgewogene Informationen und würden mit teils schockierenden Bildern konfrontiert. „Eltern sollten aktuelle Themen wie Terroranschläge ansprechen und fragen ‚Was habt Ihr darüber gehört?'“. So haben Kinder die Gelegenheit darauf einzugehen, und man könne sich zusammen umfassend informieren.
Kinder zwischen acht und 14 Jahren seien oft bestürzt und verunsichert über aktuelle Ereignisse. „Die jüngeren von ihnen verstehen oft nicht genau die Hintergründe, sie wollen Argumente hören. Da sind Kindermedien und -nachrichten eine gute Art und Weise, sie aufzuklären.“ Gut wäre auch zu erfragen, was die Kinder in der Schule besprechen. Oder ihnen Möglichkeiten zur Hilfe aufzuzeigen, etwa durch Spenden nach einer Katastrophe.
Mit den Informationen nicht allen lassen
Erwachsene trauten diesen Schulkindern jedoch schon eine Menge zu, und oft sei es jene Altersgruppe, die abends noch mit den Eltern Nachrichten schaue. „In diesem Fall sollte man die Kinder nicht direkt danach ins Bett schicken und sie mit den Informationen alleine lassen – das ist eine Überforderung für diese Altersgruppe“, sagt Weigand.
Bei den Kindern unter acht Jahren sei es am schwierigsten, wenn sie Bilder von Ereignissen wie Krieg oder Naturkatastrophen sähen. Sie reagierten am stärksten auf Bilder. „Oft werden in Nachrichten auch Kinder gezeigt, um die Zuschauer emotional anzusprechen.
Kinder nehmen diese anderen Kinder als Identifikationsfiguren wahr, und übertragen das auf sich“, sagt Weigand. Dies bestätigt auch Götz vom IZI. „Wir Erwachsenen bekommen oft gar nicht mit, wie beeinflusst die Kinder beispielsweise von spannender Musik oder dunklen Szenen sind. Sie haben viel häufiger Angst, als man denkt“, sagt Götz.
Neutrale Haltung einnehmen
Götz und Kollegen haben sich in einer Studie mit der Fukushima-Katastrophe in Japan beschäftigt. Sie befragten mehr als 300 Kinder zwischen fünf und 13 Jahren. Der überwiegende Teil hält Atomkraft für „ein bisschen“ oder „total“ gefährlich. Während bei den Älteren die Sorge um die Auswirkungen der Radioaktivität am größten war, hatten die Jüngeren mehr Angst vor Tsunamis und Überschwemmungen.
Nur fünf der Kinder hatten in den ersten Wochen gar nichts von den Ereignissen in Japan erfahren. „Bei diesem Thema ist es wichtig, eine neutrale Haltung in Diskussionen mit den Kindern einzunehmen und ihnen eigene Ängste nicht überzustülpen.“
Fantasie schlimmer als Realität
Hilfreich seien Erklärungen, warum es Atomkraft gebe, wofür sie in der Vergangenheit gebraucht wurde, und dass wirklich selten etwas passiere. Gerade das Thema Radioaktivität sei schwer zu begreifen, teils hätten die Kinder schlimme Fantasien. „Zu den Fantasien gehören etwa, dass den Menschen die Beine abfallen, wenn sie mit radioaktivem Wasser in Berührung kommen.“ Daher müsse man die Kinder darauf ansprechen, was sie sich vorstellen.
Für eine ehrliche Aufklärung plädiert auch der Kinderpsychotherapeut und Traumaexperte Andreas Krüger aus Hamburg. „Man sollte die Kinder nicht auf Basis falscher Tatsachen beruhigen. Atomkraft hat Risiken, und Eltern verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie diese verleugnen“, sagt Krüger. Gleichwohl sollten aber Fakten dosiert werden, um die Kinder nicht mit einem Zuviel an Infos zu quälen.
Kleine Kinder noch verschonen
Aus seiner Sicht sollten gerade jüngere Kinder unter acht Jahren von schrecklichen Bildern möglichst ferngehalten werden, weil sie sie nur schlecht verarbeiten können. „Gerade die ganz Kleinen brauchen bis zu einem gewissen Grad die Illusion von Sicherheit. Mama ist die Tollste, Papa ist der Größte, und die Welt ist ein guter Ort – das festigt sie in ihrer Persönlichkeit.“ Mit zunehmendem Alter verstünden sie die Probleme, die es auf der Welt gebe – und Eltern sollten darauf eingehen.
Krüger glaubt, dass ein gesundes Kind durch Nachrichtenbilder kaum schwer traumatisiert wird. Sensibilisierte und traumatisierte Kinder jedoch, die in den ersten Lebensjahren schon viel Leid mitbekommen hätten, seien womöglich empfindlicher. „Durch schreckliche Bilder können bei ihnen Angst und Albträume ausgelöst werden. Manchmal sind sie ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.“
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