„Ich will für die Jugendlichen sprechen“

Mobiler Jugendberater Stammheim„Ich will für die Jugendlichen sprechen“

Zwei, die sich gut verstehen: Chris Sluiter und der langjährige Jugendhausleiter Michael Klamm (r.). Foto: Chris Lederer

Stuttgart-Stammheim – Es kann schon mal später werden, bis Chris Sluiter von der Arbeit nach Hause kommt. Neulich hat der Sozialpädagoge mit einem Jugendlichen noch bis um 3 Uhr nachts über dessen Probleme und mögliche Lösungswege gesprochen. „Ich kann ja schlecht sagen, ich bin bis 21 Uhr für euch da und danach habt ihr Pech gehabt“, sagt Sluiter.

Seit Februar ist der 33-Jährige regelmäßig in Stammheim unterwegs, um Teenager und junge Erwachsene zu treffen und mit ihnen in Kontakt zu kommen. „In der Regel sind es ausschließlich junge Herren zwischen 14 und 19, die sich gerade in einer schwierigen Phase ihres Lebens befinden.“ Ihnen widmet sich Sluiter, hört ihnen zu und bietet ihnen bei Bedarf Hilfe an. „Die Angebote unterliegen absoluter Freiwilligkeit und Unverbindlichkeit, ich schwinge nicht die Moralkeule. Man muss die Jugendlichen da abholen, wo sie stehen.“

„Ich bin kein Polizist und auch kein Hilfssheriff“

Das ist sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne zu verstehen: Sluiter geht dorthin, wo sich die Jugendlichen treffen: in die Tiefgarage vor den Supermarkt, an die Endhaltestelle, auf den Schulhof oder sonst wo auf die Stammheimer Straßen.

„Auf der Straße bin ich bei den Jugendlichen zu Gast, ich bin kein Polizist und auch kein Hilfssheriff.“ Sluiter sieht seine Aufgabe darin, für die Jugendlichen zu sprechen und „ihre Lobby“ zu sein. Hilfe könne man aber niemandem aufzwingen. „Ich kann sie auch nicht sanktionieren, sie beispielsweise den Müll aufheben lassen. Ich komme nicht mit der Greifzange um die Ecke.“

Sluiter bietet bei Bedarf auch Reibungsfläche

Ihm sei klar, dass die Präsenz der Jugendlichen an bestimmten Orten Probleme bereite. „Ich kann mir vorstellen, dass Lachen von Erbrochenem oder der Lärm bei Nacht für die Anwohner eine Belastung ist“, sagt der Sozialpädagoge. „Man muss diese Probleme deutlich ansprechen, aber sich auch klar machen: die Jugendlichen dürfen sich da aufhalten.“ Freilich dürfe es nicht so weit kommen, dass Anwohner oder Mitarbeiter des Supermarktes Angst hätten, zu ihrem Auto zu laufen. „Ich bin dankbar über Hinweise – machen Sie mich darauf aufmerksam, aber bitte nicht für das Verhalten der Jugendlichen verantwortlich.“ Leider seien viele der Jugendlichen polizeibekannt. „Viele missverstehen die Gesetze.“ Ihnen fehlten positive Rollenvorbilder und häufig die Unterstützung aus der Familie. „Oft erziehen sich die Jungs auf der Straße gegenseitig, das ist nicht immer das Beste.“ Sluiter gibt ihnen nicht nur Hilfestellung sondern bietet bei Bedarf auch Reibungsfläche und zu denken.

Sluiter macht nicht nur Mobile Jugendarbeit, sondern betreut in Personalunion auch den Jugendtreff in Sieben Morgen. „Der Jugendtreff dient als Homebase und als Ausgangspunkt für aufsuchenden Touren durch den Stadtteil.“ In der Einrichtung an der Asperger Straße 41A bietet er auch Sprechstunden an. Eingebettet ist er ins Team des Kinder- und Jugendhauses. Das erleichtere die Arbeit: „Viele kennen mein Gesicht aus dem Jugendhaus.“ Das schaffe Vertrauen. „Anfangs dachten manche der Jugendlichen, ich sei ein verdeckter Ermittler – da sieht man, dass sich manche doch ein wenig überbewerten.“

„Meine Schweigepflicht nehme ich sehr ernst“

Seine Gespräche mit den Jugendlichen und alle damit verbundenen Daten werden streng vertraulich behandelt. „Meine Schweigepflicht nehme ich sehr ernst.“ Nur in absoluten Ausnahmefällen – etwa im Falle der Kindeswohlgefährdung nach Paragraf 8 des Strafgesetzbuches – würden Informationen an die zuständigen Stellen weitergeleitet.

Die Bezirksbeiräte nahmen Kenntnis vom Bericht Sluiters und zeigten sich erfreut darüber, dass die Stelle des Mobilen Jugendarbeiters endlich vom Gemeinderat finanziert wird. Sie stellten aber auch weiteren Bedarf fest. Denn in erster Linie bleibt dem Sozialpädagogen nur Zeit, sich um die männliche Klientel zu kümmern, obwohl es auch – wenngleich seltener – Mädchengruppen gibt, denen derartige Betreuung gut täte. „Es ist mal wieder typisch“, kritisierte Grünen-Beirätin Petra Bonnet: „Man kümmert sich mal wieder nur um das größte Defizit, und das ist meistens männlich.“ Sie stimmte der Forderung zu, die Stelle zu erweitern. In der kommenden Sitzung will der Beirat einen entsprechenden Beschluss fassen.

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