Sicherheit in Weilimdorf„Kinder bei ersten Schritten im Netz begleiten“
Stuttgart-Weilimdorf – Früher oder später werden Kinder und Jugendliche mit der virtuellen Welt im Internet konfrontiert. Dort finden sich aber nicht nur interessante Infos, lustige Unterhaltung oder praktische Wege, um mit Freunden zu kommunizieren, sondern auch Tücken und Gefahren. Stefan Middendorf vom Landeskriminalamt, der kommende Woche einen Vortrag in Weilimdorf zum Thema „Jugendliche Medienwelten und Gefahren im Internet“ halten wird, rät Eltern, ihren Kindern ein kritisches Herangehen beizubringen.
Herr Middendorf, dürfen sich Ihre Töchter bei einem sozialen Netzwerk anmelden?
Der große Hype um Facebook kam zu einer Zeit auf, als die Jüngere 13 oder 14 war, die Ältere 16. In dem Alter war das in Ordnung. Laut allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Beitritt bei Facebook ab 13 Jahren erlaubt. Grundsätzlich gebe ich Eltern den Ratschlag: je später, desto besser. Denn es ist schwierig, wenn man sich ausschließlich über ein soziales Netzwerk sozialisiert und sich einen virtuellen Freundeskreis schafft, den man zum Großteil noch nie zu Gesicht bekommen hat. Wenn man Jüngeren den Beitritt bei Facebook erlaubt, muss man sich im Klaren sein, dass man dem Kind erlaubt, zu lügen. Denn es muss ja ein falsches Geburtsdatum angeben.
Wo liegen bei sozialen Netzwerken die Gefahren für Kinder und Jugendliche?
Dass sie sich zu sehr transparent machen. Das Problem ist, dass Jugendliche sehr emotional und weniger rational handeln. Sie veröffentlichen häufig viele Daten von sich und auch von ihrem Umfeld, zum Beispiel Wohnanschrift, Geburtsdatum, Fotos oder die Info, dass sie drei Wochen in Urlaub sind. Soziale Netzwerke sind nicht per se schlecht, man muss nur lernen, richtig damit umzugehen und nicht blind alles zu glauben und anzuklicken.
Sollten Eltern kontrollieren, was ihre Kinder online treiben?
Nein, Eltern sollten eher moderieren. Ich sage ihnen immer: Ihr müsst eure Kinder bei den ersten Schritten im Netz begleiten. Und das nicht nur einmal zehn Minuten, sondern über eine große Strecke hinweg. Kinder müssen ans Internet herangeführt werden und erklärt bekommen, was sie lieber lassen sollten. Wichtig ist, dass sie ein kritisches Herangehen lernen. Man kann sich mit ihnen hinsetzen und sagen, zeig mir doch mal, welche Fotos du hochladen möchtest. Denkst du, das ist gut, wenn man dich in Badehose sieht? Wenn man aber merkt, dass partout gegengesteuert wird, muss die Moderation auch in Kontrolle überspringen. Vor allem aber muss vereinbart werden, wie man sich verhält, wenn was verrutscht. Das Kind muss wissen: Wenn dir was komisch vorkommt, mach den Computer aus und sag uns Bescheid. In einem vertrauensvollen Familienumfeld können sich Kinder offenbaren.
Über internetfähige Handys entzieht sich den Eltern zunehmend der Einfluss darauf, wann sich ihr Kind was online anschaut.
Eltern müssen die Entscheidung treffen, wann sie ihrem Kind ein Smartphone an die Hand geben. Dann müssen sie sich über die Konsequenzen im Klaren sein. Wenn ich feststelle, dass mein Kind sich sicher im Internet bewegt und auch Dinge hinterfragt, kann ich auch ein Smartphone zulassen. Wenn sich alle Klassenkameraden darüber verabreden und mein Kind zum Außenseiter wird, muss ich darauf reagieren. Nur ein Zurück ist dann häufig schwer.
Lauern für Mädchen und Buben unterschiedliche Gefahren im Netz?
Mädchen sind viel kommunikativer, sie sind eher bei Chats und sozialen Netzwerken aktiv. Da gibt es die Gefahr des sogenannten Groomings. Das bedeutet, dass sich jemand als falsche Person ausgibt und zum Beispiel versucht, das Mädchen zu überreden, die Webcam einzuschalten und sich auszuziehen. Jungs sind anfälliger fürs Zocken. Da besteht die Gefahr, dass sie sich zurückziehen, völlig übermüdet in der Schule ankommen und nur noch in der Welt des Onlinespieles leben. Jugendliche müssen da auch den richtigen Umgang mit Zeitmanagement lernen.
Ein Problem ist auch das sogenannte Cybermobbing. Wie sollten Eltern reagieren, wenn ihr Kind im Internet beleidigt, belästigt oder bedroht wird?
Wenn sich ein Kind dahin gehend offenbart, dann ist der Leidensdruck so groß, dass es wirklich sofort Hilfe braucht. Die Schule und auch die Polizei müssen informiert werden, damit das Opfer geschützt und die Tat beendet werden kann. Im Regelfall ermitteln wir im Umfeld der Opfer, und nicht selten mit Erfolg. Es ist wichtig, das Signal an die Täter zu senden: Wir lassen uns das nicht gefallen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer Opfer einer Straftat wird, der soll sich wehren. Dem Täter muss klar sein, dass gegen ihn ermittelt wird.
Sicherlich sind sich viele Menschen unsicher, ab wann sie die Polizei mit einem solchen Fall behelligen können.
Es reicht, wenn psychische Gewalt angewandt wird. Wir sind dafür zuständig, und wir nehmen das sehr, sehr ernst.
Was kann die Polizei tun?
Wir können eine Meldung an den Provider machen, damit ein gefälschtes Profil gesperrt wird. Gegebenenfalls werden wir die Ermittlung an die Staatsanwaltschaft geben, eine Mitteilung an das Jugendamt machen oder die Eltern des Täters informieren.
Wie arbeiten Sie im Bereich der Prävention?
Wir versuchen unter anderem auch zu vermitteln, dass es cool ist, wenn jemand sagt: Das lasse ich mir nicht gefallen. Und es ist megacool und clever, wenn ich mir Hilfe hole. Keinesfalls sollte man versuchen, auf eigene Faust was zu regeln und virtuell zurückschlagen. Denn dann werden Opfer selbst zum Täter.
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