Was löst der Amoklauf von München und die begleitende Bilderflut bei Jugendlichen aus? Was bedeutet das für den Umgang mit sozialen Medien? In Schulen und Familien muss über die Folgen gesprochen werden – aber wie? Medienforscherin Maya Götz sieht eine neue Herausforderung für die Medienpädagogik.
Dieser Amoklauf trifft mitten in die Alltagswelt von Jugendlichen und deren Eltern. Junge Leute wollen shoppen, Freunde treffen, einen Burger essen, als David S. um sich feuert und neun Menschen tötet. Die meisten sind Teenager. Der Täter ist – soweit bisherige Erkenntnisse – ein psychisch kranker 18-Jähriger mit Schulproblemen und Mobbing-Erfahrungen.
Eltern quält der Gedanke: Auch mein Kind hätte unter den Opfern sein können. Trotzdem ist es ihre Aufgabe, ihren Söhnen und Töchtern nun Halt zu geben und die vielen schrecklichen Ereignisse der zurückliegenden Tage mit ihnen zu verarbeiten.
t-online: In TV-Sondersendungen und bei Online-Medien, ebenso auf Youtube, Twitter und Facebook war der Amoklauf nahezu in Echtzeit zu verfolgen. Was bewirkt das bei Kindern und Jugendlichen, die diese Bilder sehen?
Maya Götz: Das kommt natürlich auf die Bilder selber an. Meistens waren es Bilder, die nicht einzuordnen waren oder sogar deutlich zu Fehlinformationen geführt haben. Diese Bilder werden dann an Freunde und in Gruppen herumgeschickt und befeuern, wie in diesen Fall, Gerüchte und dadurch ausgelösten Ängste .
Der Amoklauf in einem Einkaufszentrum ist noch näher am Alltagsleben von Jugendlichen als beispielsweise die Terroranschläge von Paris und Nizza. Es hätte einen selbst, Freunde oder Mitschüler treffen können. Wie reden Eltern mit Jugendlichen am besten über solche Ängste?
Zum einen ist es wichtig, die tatsächliche Bedrohung einzuordnen. Eltern können verdeutlichen, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Anschlag betroffen zu sein, sehr gering ist. Bei Verkehrsunfällen sterben in Deutschland jährlich über 3000 Menschen. Dennoch nutzen wir das Auto.
Gerade bei Jugendlichen ist es besonders wichtig, kein Verständnis für Täter zu zeigen. Die Annahme, eine Situation hätte nur den Ausweg, sich und andere umzubringen ist falsch und ausgesprochen feige.
Gleichzeitig gilt es zu verdeutlichen, wie wichtig der Umgang miteinander ist. Wie wichtig es ist, gegen Mobbing aktiv einzustehen, gemeinsam nach Lösung zu suchen und die Welt, die wir direkt beeinflussen können, zu einem Ort des Miteinanders und nicht des Gegeneinanders zu machen.
Der Täter von München mutzte ein gefälschtes Facebook-Profil, mit dem er Jugendliche zum Tatort locken wollte. Während und nach der Tat flimmerten über soziale Netzwerke ungefilterte und teils falsche Informationen zur Tat über die Smartphones, außerdem Videos des entsetzlichen Geschehens. Dies trug zu Panik und Fehlalarmen bei. Was müssen Eltern Jugendlichen in diesem Zusammenhang über den Umgang mit sozialen Medien vermitteln?
Wir brauchen dringend mehr Medienkompetenz. Zwar können Jugendliche das Handy technisch meist ausgesprochen kompetent nutzen. Wo sie verlässliche Informationen finden und wie wenig verlässlich viele Nachrichten auf sozialen Netzwerken sind, das durchdringen gerade die Jüngeren meist noch nicht.
Während es für die Informationssuche durchaus brauchbare Modelle gibt, ist der richtige Umgang mit Berichterstattung zu Anschlägen eine neue Herausforderung, der sich die Medienpägagogik stellen muss.
Zur Expertin: Die Wissenschaftlerin Maya Götz analysiert seit vielen Jahren die Wirkung von Medien auf Kinder und Jugendliche. Seit 2013 leitet sie das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk in München.
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