Wie wäre es ohne gelaufen? Die Frage stellt sich zwangsläufig, seitdem in dieser Saison der Video-Assistent in der Bundesliga offiziell eingeführt wurde. Im Borussia-Park, so viel steht nach 15 von 17 Heimspielen fest, hat sich die Installation der nötigen Technik gelohnt. In einer Hinsicht hat sich sowieso nichts geändert: Früher durfte im Anschluss lebendig diskutiert werden, warum der Schiedsrichter gepfiffen hatte oder eben nicht. Heute geht es eben darum, warum der Video-Assistent zum Einsatz kam – oder eben nicht.
Am Samstag gegen Hertha BSC hätte Borussia vermutlich lieber den Ausgleichstreffer durch Patrick Herrmann genommen als den Elfmeter, den Thorgan Hazard verwandelte. 20 Minuten früher hätte es 1:1 gestanden, und Elfmeter müssen, wie Hazard in dieser Saison schon leidvoll erfuhr, erst einmal im Tor untergebracht werden. So verbuchte Trainer Dieter Hecking es auch als „Nackenschlag“, dass seine Mannschaft in der 55. Minute umsonst jubelte. „Zurecht wurde das Tor aberkannt, trotzdem wäre das vielleicht der Brustlöser gewesen“, sagte Hecking. Was den Nackenschlag angeht, dürfte er den Borussia-Fans aus der Seele gesprochen haben. Die hatten sich bereits ausgiebig gefreut, die Tormusik war erklungen.
David Büchler vom Fanblog „Mitgedacht“ war am Samstag im Stadion und sagt: „Die Situation ist verfahren.“ Die Videobeweis-Gegner fühlen sich durch Situationen wie beim vermeintlichen 1:1 durch Herrmann bestätigt. Denn es geht nicht nur um die korrekte Anwendung, sondern – wie so oft im Fußball – um Emotionen. „Ausrasten und Jubeln beim Tor macht so langsam keiner mehr“, heißt es in einem Bericht des FPMG Supporters Clubs zum Sieg gegen Hertha. Wobei die Angst, sich vergebens zu freuen, beim 1:1 durch Hazard, das dann letztlich zählte, nicht der einzige Grund für den verhaltenen Jubel im Stadion gewesen sein dürfte.
„Für mich ist das Stadionerlebnis echt beeinträchtigt“, sagt Büchler. Der Dreiklang Schuss-Tor-Jubel gilt nur noch eingeschränkt. Und dem neuartigen Nervenkitzel wie vor dem Elfmeter zum 2:1, als Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus mit 48 Sekunden Verspätung auf den Punkt zeigte, kann Büchler nicht viel abgewinnen. „Natürlich ist auch das eine Form von Spannung“, sagt er, „aber selbst da überwiegt der Ärger.“ Den Dauerkarteninhaber stört zudem das Argument der Befürworter, dass sich der Fußball technischen Hilfsmitteln in der heutigen Zeit nicht mehr verschließen könne, weil es um so viel Geld gehe. „Das ist für mich ein vielsagendes Eingeständnis, was wirklich im Mittelpunkt steht“, sagt Büchler.
Aus der Seele hat ihm zuletzt Mittelfeldspieler Denis Zakaria gesprochen. „Ich persönlich finde den Videobeweis nicht gut. Der Schiedsrichter reicht. Jeder kann mal Fehler machen, wir machen ja auch Fehler“, sagte der Schweizer unserer Redaktion. Borussia-Fan Büchler hat keine richtige Lösung parat, wie er sich als Gegner besser mit den technischen Hilfsmitteln arrangieren könnte. Mehr Transparenz durch Video-Einblendungen oder Ansagen der Offiziellen würden am zunichtegemachten Jubel oft nichts ändern. „Jedes Tor, das im Strafraum erzielt wird, steht irgendwie unter Verdacht“, sagt Büchler.
Am einfachsten, aber utopisch wäre es wohl, wenn Borussia in Zukunft nur noch wie Christoph Kramer vor ein paar Wochen in Hannover treffen würde: Aus 25 Metern schießen und ab damit in den Winkel. In dem Moment dürfte kein Fan gezweifelt haben.
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