Jedes dritte Kind hat Angst vor Schulversagen

Wenn Jugendliche nach ihren größten Ängsten befragt werden, nennen sie meist an erster Stelle die vor Versagen in der Schule. So auch beim „Kinderbarometer“: Knapp ein Drittel der 9- bis 14-Jährigen hat Furcht vor schlechten Noten, besonders ausgeprägt ist diese Angst in Bayern und Sachsen – just jene Bundesländer, die bei den Pisa-Studien stets gut abschneiden.

Auch andere Ergebnisse des „Kinderbarometers“, das heute in Berlin vorgestellt wurde, lassen die Schulen in keinem günstigen Licht erscheinen. Mehr als 6000 Kinder und Jugendliche aus sieben Bundesländern machten mit. Und mehr als die Hälfte gab an, in der Woche vor der Umfrage in der Schule
beleidigt, gehänselt oder bloßgestellt worden zu sein.

Meist sind es die Mitschüler, die andere Kinder mobben – aber ziemlich oft der Studie zufolge auch die Lehrer, die sonst ihrerseits gern lautstark über
Mobbing durch Schüler klagen. „Jedes fünfte Kind hat das Gefühl, auch von seinen Lehrern beleidigt zu werden. Das müssen wir ernst nehmen“, erklärte Paula Honkanen-Schoberth, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Deutschland.

Viele andere Ergebnisse der Jugendstudie fallen deutlich positiver aus. „Die Kinder fühlen sich rundherum wohl in ihrem Freundeskreis“, die deutliche Mehrheit auch in der Familie, etwa die Hälfte in der Schule, so Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Seine Freunde kann man sich aussuchen, das Klassenzimmer nicht.“

Kopf- und Bauchweh als Stress-Symptome

Die Umfrage-Teilnehmer konnten auf kindgerechten Skalen eintragen, wo es ihnen wie gut geht und welche Faktoren sie beeinflussen: ein kleines, kugeläugiges Männchen mit Regenschirm ist links auf dem Blatt zu sehen, eines ohne Schirm rechts. Getrennt werden die putzigen Gestalten von sieben Kästchen, in denen alle Wetterlagen von strahlendem Sonnenschein (für „alles bestens“) bis zur zornigen Gewitterwolke (für „schlimmer geht es nicht“) eingezeichnet sind – und fertig ist das siebenstufige Kinderbarometer.

Die Untersuchung zählt zu den größten repräsentativen Studien der Kindheitsforschung in Deutschland. Die Westdeutsche Landesbausparkasse (LBS) organisiert sie schon seit 1997 in Nordrhein-Westfalen und dieses Jahr das erste Mal bundesweit, in Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzbund, der World-Vision-Kinderstudie, dem Deutschen Jugendinstitut und Unicef.

Auch körperlich gab es deutliche Warnsignale: So reagiert ein Drittel der Kinder auf Stress häufig mit Kopfschmerzen, ein Viertel mit Bauchschmerzen. Ebenfalls ein Viertel leidet unter Allergien. Kopf- und Bauchweh seien „ein ganz klassischer Ausdruck von Kindern für Druck“, sagte die gelernte Ärztin von der Leyen.

Sie wies außerdem auf einen „deutlichen Zusammenhang“ zwischen Ernährung und Krankheitssymptomen hin: Ein Viertel der Kinder treibe zu wenig Sport, bei einem Drittel sei die Ernährung schlecht. So esse knapp jedes fünfte Kind nur gelegentlich bis selten mit den Eltern zusammen an einem Tisch. Und mehr als ein Drittel der Befragten gab an, vor der Schule nur ab und an zu frühstücken.

Vater soll anklopfen

Mit der körperlichen Fitness sind knapp zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen zufrieden. Jedes fünfte Kind fühlt sich zu dick, jedes zehnte zu dünn. 17 Prozent finden sich zu klein, sieben Prozent zu groß.

Unter Krankheiten und Stressbeschwerden leiden Kinder aus schlechten sozialen Verhältnissen am stärksten. Ihnen fehle es an Perspektiven und Handlungsspielräumen, sagte von der Leyen: „In solchen Fällen müssen wir den Kindern helfen, sich aus dieser unverschuldeten Ohnmacht zu befreien.“

Die Kinder selbst wünschen sich der Befragung zufolge besonders den Schutz vor Gewalt und Drogen, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf Spiel und Freizeit. Sie wollen auch ihre Intimsphäre gewahrt sehen. Als Beispiel nannte von der Leyen, dass die Mutter nicht im Tagebuch der Tochter schnüffeln und der Vater anklopfen sollte, bevor er das Kinderzimmer betritt. „Wir Erwachsenen machen oft den Fehler, dass wir unsere Kinder weit unterschätzen“, sagte die Ministerin, „aber sie können viel mehr, nehmen viel mehr Dinge wahr und interessieren sich für viel mehr Themen, als wir uns vorstellen können.“

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