Wie normal sind kurzlebige Teenager-Lieben?

Teenager-Beziehungen haben oft eine sehr kurze Haltbarkeit. Wie viele Partnerwechsel sind bei Heranwachsenden normal und wie sollten Väter und Mütter damit umgehen – vor allem, wenn die häufigen Liebschaften ihres Nachwuchses in den sozialen Netzwerken negativ diskutiert werden?

Kaum haben sich Eltern den Namen des Freundes ihrer pubertierenden Tochter gemerkt und sich ein wenig an den „Familienzuwachs“ gewöhnt, erscheint bereits ein anderer Schwarm auf der Bildfläche. Er ist nun „der Neue“, der davor nur noch „der Ex“. Doch auch diese Liebe kann schnell wieder Schnee von gestern sein.

„Es ist wieder Schluss“

Die erste Liebe von Stefanies sechzehnjähriger Tochter Lara dauerte gerade mal einen Monat. „Wir sind jetzt fest zusammen“, verkündete sie und analysierte regelmäßig mit ihren Freundinnen die Qualitäten ihrer neuen Eroberung, die mit Erlaubnis der Eltern auch bei Lara übernachten durfte.

Doch das Glück war nur von kurzer Dauer, ebenso wie der Liebeskummer. „Es ist wieder Schluss – wir haben uns einfach auseinandergelebt“, hieß es danach eher beiläufig. Trost stellte sich sehr bald in Gestalt eines neuen Prinzen ein, der ebenfalls einige Wochen bei Laras Familie ein und aus ging, mittlerweile aber ebenfalls nicht mehr zu den Auserwählten zählt.

„Da fällt es schon schwer, den Überblick zu behalten“, meint Stefanie. „In der ganzen Clique meiner Tochter läuft das ähnlich: Häufig wechselnde Liebeleien, bei denen die Mädchen aber heute meines Erachtens viel mehr als in meiner Jugend vor dreißig Jahren, Eigeninitiative beim Anbandeln ergreifen oder auch diejenigen sind, die Schluss machen. Das führt vielleicht auch dazu, dass man den Eindruck bekommt, dass die Beziehungen schon vorbei sind, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben.“

Ein Übungsfeld für spätere Beziehungen

„An und für sich ist das ein relativ normales Verhalten“, erklärt die Diplom-Psychologin Eva-Verena Wendt vom Deutschen Jugendinstitut (DJI). „Die ersten Partnerschaften sind nämlich für Jugendliche ein wichtiges Übungsfeld für spätere Beziehungen im Erwachsenenalter. Sie wissen meist noch gar nicht genau, was sie von einem Partner erwarten, welche Eigenschaften sie an einem Partner mögen oder wie eine Partnerschaft überhaupt ablaufen soll. Deshalb testen sie. Das ist zunächst kein schlechtes Verhalten, denn im Optimalfall lernen sie so etwas über sich und ihre Wünsche.“

Die Zeiten haben sich gar nicht so sehr geändert

Die Testläufe in Liebesangelegenheiten sind aber nicht immer so kurzlebig wie bei Lara. Ein großer Teil der Jugendlichen sei nämlich länger als nur ein paar Wochen mit einem Freund beziehungsweise einer Freundin zusammen, ergänzt die Diplompsychologin.

In der repräsentativen pairfam-Studie (Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics), in der zur Erforschung der partnerschaftlichen und familiären Lebensformen in Deutschland unter anderem 4000 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren befragt wurden, waren nach einem Jahr noch knapp die Hälfte der Jugendlichen (45 Prozent) mit dem gleichen Partner zusammen.

Für Stefanie, Laras Mutter, sind die unbeständigen Romanzen ihrer Tochter nicht nur gewöhnungsbedürftig, sie befremden sie auch. Sie ist davon überzeugt, dass sich heute im Vergleich zu ihrer eigenen Jugend vor dreißig Jahren einiges verändert hat.

„Ich hatte zwar auch mehrere feste Freunde, als ich in diesem Alter war. Aber ich habe mir das irgendwie viel mehr zu Herzen genommen. Auf mich wirkt das heute eher unverbindlicher und beliebiger, als wollten sich die Kids gar nicht wirklich festlegen, sondern vor allem eine tolle und spaßige Zeit miteinander haben – mit allem, was bei einer romantischen Beziehung so dazu gehört. „

Studie: „Romantisierung“ bei Liebesbeziehungen

Soweit die Außenwirkung von Teenager-Lieben – beobachtet durch die elterliche Sorgenbrille. Doch hinter dem als oberflächlich und flatterhaft wahrgenommenen Verhalten steckt offenbar mehr emotionale Tiefe, als der „Generation Porno“ gerne nachgesagt wird. Das wies vor wenigen Jahren die „Bravo-Studie“ nach. Dabei kristallisierte sich im Rahmen einer repräsentativen Befragung von Heranwachsenden zwischen elf und 18 Jahren eine Romantisierung bezüglich Liebesangelegenheiten heraus.

„Zum Beispiel sind die Jugendlichen heute zunehmend früher verliebt“, kommentiert Psychologin Wendt. „Wenn man sich dagegen den Trend im Sexualverhalten ansieht, kann man aber momentan Entwarnung geben: Das Alter beim ersten Geschlechtsverkehr verlagert sich nämlich nicht weiter nach vorne, sondern liegt aktuell nach wie vor bei etwa 17 Jahren. Nur ein kleiner Teil der Jugendlichen ist schon früher sexuell aktiv, so zeigt es auch die jüngste Studie zu Jugendsexualität der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung). Vielleicht testen Jugendliche heute wirklich mehr, aber die ernsthaften Beziehungsschritte, etwa den ersten Geschlechtsverkehr, scheinen sie doch für den Richtigen oder die Richtige aufzuheben. Das spricht eher für ein hohes Verantwortungsbewusstsein bei der Mehrzahl der Jugendlichen.“

Eroberungen und Liebeleien werden im Netz kommentiert

Geht es um die Liebe und um Beziehungen im digitalen Raum, ist von Romantik und Verantwortungsbewusstsein bei den Teenagern allerdings meist nicht mehr viel zu spüren. Zwar lernen sich die Jugendlichen heute immer noch vorwiegend in der realen Welt kennen – nur zehn Prozent über die sozialen Netzwerke – doch werden alle Befindlichkeiten, auch zur Sexualität, im Netz offen und ausgiebig diskutiert und die Meinungsäußerungen dann unter Umständen über die sozialen Netzwerke entsprechend verbreitet, kommentiert und bewertet.

Das hat auch Lara erlebt. Cool und nicht ohne Stolz tauschte sie sich mehr als einmal mit ihren Freundinnen online über ihre neuesten Schwärmereien und Eroberungen aus: „Ich hab da wieder jemanden am Start.“ Das kam irgendwann nicht mehr gut an. Sie wurde plötzlich als „Schlampe“ beschimpft oder mit entsprechenden englischen Ausdrücken bombardiert.

„Ich war einigermaßen geschockt über so viel verbale Verrohung, die da sowohl von Jungen wie von Mädchen zurückkam“, erinnert sich Laras Mutter Stefanie. „Die Freundschaften meiner Tochter, die ja eigentlich gar nichts Schlimmes getan hat, wurden so im Netz zu einem öffentlichen Ereignis, das nicht mehr kontrollierbar war. Für Lara war das hart. Seitdem ist sie nicht mehr so großzügig mit Auskünften, wenn es mal wieder um einen Mr. Right geht.“

Bei Cyber-Mobbing Hilfe in Beratungsstellen suchen

„Grundsätzlich sollten die Jugendlichen aufpassen“, empfiehlt Expertin Wendt, „welche persönlichen Informationen sie von sich im sozialen Netzwerk preisgeben und hier sehr zurückhaltend sein. Aber soziale Netzwerke haben leider auch ein Eigenleben, das man selbst nicht immer in der Hand hat.“

Eltern sollten auf jeden Fall immer aktiv werden, wenn ihr Nachwuchs ähnliche Erfahrungen macht – und erst Recht, wenn es um sensible Themen wie Liebe und Sexualität geht, so die Psychologin weiter: „Dann gilt es seine Kinder emotional zu unterstützen und aufzufangen. Manchmal können sich Eltern nämlich vielleicht gar nicht vorstellen, wie schlimm so etwas für die betroffenen Jugendlichen ist. Beratungsstellen und verschiedene Bündnisse gegen Cybermobbing können hier psychologisch und rechtlich beraten. Man sollte sich nicht scheuen, frühzeitig Hilfe zu organisieren.“ 

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