Nur etwa zehn Prozent der Bauteile der letzten Rennsaison können wir jeweils wiederverwenden“, sagt Christof Bruderer. „Alles andere muss wieder überarbeitet werden, bevor wir es ins Auto einbauen können. Zum Beispiel muss meistens die Nase neu konstruiert und hergestellt werden, da sich die Aerodynamik- oder Crashtest-Regeln für die Formel 1 oft ändern.“ Der 50-Jährige ist seit 14 Jahren im Hinwiler Rennstall als Konstrukteur tätig, er arbeitete lange im Bereich Motorumfeld und jetzt an der Aufhängung. Zwischendurch hat Bruderer, der ein rotkariertes Hemd trägt, auch im Windkanal gearbeitet.
Von Ferrari geliefert
Das Sauber-Team ist seit 1993 in der Formel 1 dabei, aktuell mit den Fahrern Marcus Ericsson aus Schweden und dem Deutschen Pascal Wehrlein im Cockpit. Sauber bekommt seine Motoren fertig montiert von Ferrari geliefert, so arbeitet er genau genommen nicht am Motor, sondern an den Schutzschildern, dem Kühler oder Behältern für Flüssigkeiten. „Die Rennleitung der Formel 1 legt für jede Saison neue Anforderungen für die Autos fest. Sei es, um die Rennen mit einfacherem Überholen spannender zu machen, die Rundenzeiten zu erhöhen oder sie wieder zu senken, aus Sicherheitsgründen oder ästhetischen Überlegungen.“ Schon mit 14 Jahren war für den in Rorschach am Bodensee aufgewachsenen Christof Bruderer klar, dass er im Motorsport tätig sein will. Nicht das Fahrzeug selbst hat ihn interessiert, sondern das Triebwerk.
Zum Maschinenbaustudium nach Zürich
Er beschloss, die Kantonsschule und später das Maschinenbaustudium an der ETH in Zürich zu absolvieren: „Ich ging davon aus, dass ich mit dem Maturaabschluss viel mehr Möglichkeiten hätte.“ Nach dem Studium wollte er in England bei dem Motorenlieferanten Ilmor arbeiten. „Ich durfte dann als temporär Angestellter neun Monate bei Mercedes-Benz in Stuttgart arbeiten, dann erhielt ich eine Arbeitserlaubnis für England.“ In England wechselte Bruderer nach ein paar Jahren zu Prodrive, er wollte neue Erfahrungen sammeln. Er arbeitete an Tourenwagen und GT-Autos, die von Prodrive entwickelt wurden. Dort beschäftigte er sich mit dem Motor der Tourenwagen. „Damals habe ich aus Motoren noch Leistung herausgeholt. Heutzutage konstruiere ich Dinge, die das Auto nicht schneller machen, aber trotzdem unbedingt funktionieren müssen.“ Auch in der Freizeit hat er Freude an Motoren: Er besitzt einen 38 Jahre alten Innocenti De Tomaso. Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern wohnt er im Nachbardorf Wetzikon im Zürcher Oberland und radelt zur Arbeit. „Ich bin gerne unabhängig von einem Auto.“
Kugellager vom Spezialisten
Im Herbst werden zwar keine Rennen gefahren, aber bis zum Winter muss das Auto konstruiert sein. „Im Sommer geht es nur noch um die Weiterentwicklung, und es gibt darum weniger Arbeit.“ Das Sauber-Team versucht so viele Komponenten wie möglich im Rennstall selbst herzustellen. Dennoch bestellt Sauber auch Konstruktionsteile, wie zum Beispiel Bremsscheiben, Sensoren und Kugellager von Spezialisten. Zum Schluss wird dann das Auto zusammengebaut. Beim ersten Mal dauert der Aufbau des Wagens bis zu einen Monat. Beim zweiten Mal kann er von zehn Mitarbeitern in wenigen Stunden zusammengebaut werden. Dies ist nötig, wenn es im Training oder in der Qualifikation eines Rennens zu einem Schaden kommt, damit schnell ein neues Auto gebaut werden kann. Um diesen schnellen Aufbau zu ermöglichen, müssen die Aufhängung des Autos und weitere Bauteile schon fixfertig vorbereitet sein.
In der Simulationsanlage
Im Windkanal wird mit einem Modell gearbeitet, dessen Größe 60 Prozent des Originals beträgt. Mit der originalen Autogröße darf aufgrund des Reglements im Windkanal grundsätzlich nicht getestet werden. Das Auto ist aber genau wie das Original zusammengebaut, nur kleiner. Ein Axialventilator erzeugt in einem Rohr mit dem Durchmesser von fast 10 Metern einen Windzug. In dem geschlossenen Kreislauf gibt es einen Abschnitt, in dem sich das Auto auf einem Laufband befindet, durch Metallstangen von der Decke gehalten und stabilisiert. Durch diese Simulationsanlage kann die Aerodynamik des Autos getestet und bearbeitet werden.
Viermal in der Saison auf Podestränge
Die Formel 1 ist eine teure Angelegenheit, nur ein Rennstall, der finanzkräftige Partner im Rücken hat, kann dabei bestehen. Die Geldprobleme, die Sauber schon eine Weile überschatten, sind mindestens vorübergehend gelöst, nachdem ein Schweizer Investor den Rennstall aufgekauft hat. Zurzeit läuft es für den Hinwiler Rennstall punktemäßig trotzdem nicht gut. Lange ist es her, seit ein Pokal im Empfang ausgestellt werden durfte. 2012 war dies das letzte Mal der Fall, als Sergio Pérez und Kamui Kobayashi gleich viermal in einer Saison auf die Podestränge fuhren. In der letzten Saison kam das Team erst im zweitletzten von 21 Rennen an Punkte. „Mein Gefühl sagt mir, dass es wieder bergauf geht mit dem Sauber-Rennstall.“ Zumindest was die finanziellen Probleme anbelangt, hat Bruderer richtig gelegen.
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