Auf Schneeschuhen rund um den Feldberg

Auf Schneeschuhen rund um den Feldberg

Los geht’s“, ruft die Schneeschuhführerin Gudrun Schmid einer kleinen Gruppe zu, die vor dem „Haus der Natur“ auf den Beginn ihrer Tour durch das Naturschutzgebiet des Feldbergs wartet. Die Teilnehmer schlängeln sich durch die Menschenmenge, denn viele Leute sind an diesem sonnigen Wintertag auf den Feldberg gekommen, um Ski, Snowboard oder Schlitten zu fahren. Der teils noch weiße, teils schon braune, platt gefahrene Schnee steht in Kontrast zu den bunten Skijacken der Besucher und den knallroten Abgrenzungen der Pisten. Arbeiter steuern Schneepflüge, nichts scheint stillzustehen, jeder ist in Bewegung, und zusätzlich zu dem Durcheinander ist laute Musik zu hören.

Sportliche Friseurmeisterin

„Für uns bedeutet Naturschutz nicht ,Mensch raus‘, er gehört dazu“, erklärt Gudrun Schmid gleich zu Beginn. Seit acht Jahren führt sie für das „Haus der Natur“ freiberuflich Gruppen. Die gebürtige Schwarzwälderin war schon an vielen Orten der Welt zu Hause. So lebte sie in Frankreich, Italien, der Schweiz, doch schlussendlich zog es sie in ihre Heimat, wo sie nun mit viel Elan Besucher durch die Landschaft der subalpinen Region führt. Die ausgebildete Friseurmeisterin war schon immer sportlich. Als sie anfing, Nordic-Walking-Führungen zu übernehmen, stärkte das ihr Interesse für die Natur. Sie ließ sich schulen und eignete sich viel Wissen an. Wie oft sie ihre Runden dreht, hängt von der Nachfrage und Schneelage ab. „In manchen Saisons gibt es viel zu tun, so dass ich jede Woche bis zu viermal losgehe. In anderen dagegen packe ich über den ganzen Winter verteilt nur viermal meine Schneeschuhe aus. Die Natur ist ein Platz zum Auftanken. Dies möchte ich den Leuten klarmachen.“

Erfasst von Lawinen

Nachdem Gudrun Schmid die Gruppe über die Skipisten und Loipen geführt hat, durchqueren sie die erste Baumreihe, um in das Naturschutzgebiet zu gelangen. Die Landschaft wirkt unberührt. Von dem vorhergehenden „Ballermann-Charakter“, wie Gudrun Schmid es beschreibt, ist nichts zu spüren. Nur die gedämpften Geräusche von den Pisten und knirschende Schritte unterbrechen die Ruhe. „Der Übergang zwischen Touristen- und Naturschutzgebiet ist buchstäblich eine Gratwanderung, nur wenige Schritte trennen die beiden Zonen voneinander“, sagt sie.

Das im Februar 1937 entstandene Naturschutzgebiet des Feldbergs ist eines der ältesten in ganz Deutschland. Die Ausschilderung der Wege soll verhindern, dass Menschen zu tief in das Naturschutzgebiet eindringen und dabei einen Schaden anrichten, dessen sie sich nicht bewusst sind, oder sich selbst in Gefahr bringen. Denn in der Schutzzone des Feldbergs gibt es Wechten: eine oberhalb des von Tannen umgebenen, kreisrunden Feldsees, eine zweite beim Gipfel des Herzogenhorns. Wechten sind stark verdichtete Schneeablagerungen, die wie ein Plateau vom steilen Ende eines Bergkamms abstehen. Sie entstehen, wenn starke Winde den Schnee abtragen. Brechen diese Wechten ab, werden Lawinen ausgelöst. Der letzte Unfall, der zwei Todesopfer forderte, geschah im Jahre 2015, als zwei Wintersportler abseits der ausgeschilderten Wege von einer heranrollenden Lawine erfasst wurden.

Tiere leiden unter Getümmel und Lärm

Förster Achim Schlosser überwacht seit fünf Jahren das Schutzgebiet. Er kümmert sich darum, dass die Touristen sich nicht in den geschützten Zonen aufhalten. „Im Sommer steht bei meiner Arbeit der Schutz der Pflanzen im Vordergrund, während ich mich im Winter um den Schutz der Tiere kümmere“, erklärt er.

Hauptsächlich leiden die Tiere an dem ständigen Getümmel und Lärm. Hasen und Rehe verstecken sich tagsüber im Wald und begeben sich bevorzugt nachts auf Futtersuche. Neben den Fichten sieht man in den höheren Lagen oft die sogenannten Krüppelbuchen. Wie der Name vermuten lässt, haben sie eine ungewöhnliche Form. Dadurch, dass sie die Last des Schnees tragen müssen, haben sie mehrere breitgefächerte Stämme sowie gestreute Wurzeln, um nicht unter der Schneelast zusammenzubrechen. Ein anderer Grund für ihren Namen sind die vielen unterschiedlichen Tierverbisse, die überall und auf jeder Höhe des Baums verteilt sind. Sie weisen darauf hin, dass der Schneefall im Winter so stark sein kann, dass sogar Hasen an den höchsten Zweigen knabbern.

Die vielen Besucher sind wichtig

Das Anliegen des „Hauses der Natur“ ist es, trotz der Pisten den Tieren noch ruhige Plätze und Rückzugsorte zu bieten. Am wichtigsten ist dies für den bedrohten Auerhahn, der im Winter besonderen Schutz benötigt. Denn wenn er mehrfach aufgescheucht wird und flüchten muss, gibt es für ihn keine Chance, den starken Energieverbrauch wettzumachen und den kalten Winter in den Bäumen des Feldbergs zu überstehen. Der Auerhahn ist ein archaisches Tier, er lernt nicht, dass der Mensch für ihn keine große Gefahr darstellt, und gerät deshalb in Stress, wenn ein ungebetener Gast in seinem Revier auftaucht.

Dass jeden Winter mehr als eine Million Besucher den Feldberg aufsuchen, ist für die Einheimischen von großer Bedeutung, denn sonst wäre es für sie unmöglich, sich in dieser Region ein Leben aufzubauen. Auch deshalb will das „Haus der Natur“ die Verbindung zwischen Mensch und Natur stärken. So sind bestimmte Zonen betretbar oder komplett verboten. Als Orientierung dienen Pfähle oder Pfeile, die einer Route folgen oder bei starkem Nebel oder Schneefall den Weg zurück zum Ausgangspunkt weisen.

Zum Greifen nah

Inzwischen ist die Gruppe auf fast 1500 Höhenmeter gestiegen und auf dem Gipfel angekommen. Die Sicht erstreckt sich ungetrübt bis über die französischen Alpen und die Vogesen. Die vereinzelten Wolken scheinen zum Greifen nah. Die Menschen auf den Pisten sind zu kleinen Punkten geschrumpft. Schweigend genießt die Gruppe den schneeverhangenen Südschwarzwald.

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