83 Jahre alte Akupunkteurin


Als Britta Wuttke 1940 in Misdroy auf der Ostseeinsel Wollin geboren wird, ist im Verzeichnis „arischer“ Namen nur Brita mit einem „t“ zugelassen. Ihre Großmutter, die ihre Enkeltochter im Standesamt anmeldet, muss beim Rausgehen unauffällig 500 Reichsmark „verlieren“. „Das war sehr viel Geld, und der Standesbeamte rannte nicht hinterher“, sagt Britta Wuttke. Eine Woche später kam Brittas Geburtsurkunde mit der Post und mit zwei „t“. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Misdroy unter polnische Verwaltung gestellt und zu Międzyzdroje, Wollin zu Wolin. Britta bleibt mit ihrer Mutter, zwei Tanten und Oma, die alle vier nur Deutsch sprechen, in der Stadt. Ihr Vater war im Ersten Weltkrieg bei der Handelsmarine und fünf Jahre in britischer Gefangenschaft auf der Isle of Man. Im Zweiten Weltkrieg war er bereits zu alt, um eingezogen zu werden. Er wurde als Feuerwehrmann auf offener Straße von den Sowjets aufgegriffen und war abermals fünf Jahre in Gefangenschaft, auf der anderen Seite. „Und nie geschossen, kein einziges Mal.“

Warschauer Akademie der Wissenschaften

1947, Britta ging bereits zur Schule, „da sollten plötzlich die Deutschen, die in Międzyzdroje geblieben sind, den Namen wechseln“, erzählt sie. „Also ‚Britta Wuttke‘ ging schon gar nicht, überall Doppel-t, und meine Tante hieß ‚Goritz‘, und dann sollten wir alle ‚Gorecki‘ werden, und ich sollte ‚Brigida‘ heißen. Da hab ich gesagt: Nee, also nicht Brigitte, nee, also wenn, dann schon Christine.“ Aber Britta blieb Britta, zum zweiten Mal: Die Sekretärin des polnischen Landrats in Swinemünde hatte angeblich vergessen, die Urkunden mit den neuen Namen mit einem Stempel zu versehen. Zwei Wochen später kam der Landrat zu Besuch und gestand, „ohne Scham und so weiter, dass er diese blöden Akten einfach verbrannt hatte“. Der Landrat, der im Krieg ein Partisan war, gegen die Deutschen gekämpft hatte. So lernte Britta als Britta lesen, ging als Britta zur Schule, studierte Medizin, machte einen Facharzt in Neurologie und war als eine von 18 polnischen Neuropathologen an der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. „Ich wollte eigentlich nicht Arzt werden, sondern Priester, aber das konnten ja Mädels damals nicht.“ Mit 41 stellt sie fest, dass sie Migräne und Gallensteine hat und außerdem „null Bock auf eine Operation“. Ihr Onkel Rolf von Leitner in Berlin war Mitbegründer der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) und ihr Lieblingsonkel. Sie beschließt, zu ihm nach Westberlin zu gehen und sich behandeln zu lassen. Ab September 1981 ist sie in Berlin, in Polen wird im Dezember der Kriegszustand erklärt.

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